MES effektiv auf Werkstattebene einsetzen

Dr. Götz Marczinski, CIM GmbH Aachen

Für die erfolgreiche Optimierung der Produktion mangelt es nicht an Methoden und Ideen. Sondern es fehlt das klare Bild über den Zustand der Produktion. Nicht die Theorie ist grau, sondern der Blick in die Realität ist getrübt.

Fehlentscheidungen im Fertigungsmanagement werden meistens deswegen getroffen, weil eine Situation nicht klar erfasst wird. Entweder lag eine entsprechende Informationen nicht schnell genug oder nicht in der notwendigen Granularität vor. Dass ein Manufacturing Execution System (MES) gebraucht wird, zeigt sich, wenn man die letzten Produktivitätsprogramme im eigenen Haus Revue passieren lässt. Wahrscheinlich zeigt sich folgendes Muster:

  • Für die Feinsteuerung fehlen Informationen über Zustand und Verfügbarkeit der Betriebsmittel
  • Die optimale Gestaltung des Entlohnungssystems scheitert an der Erfassung der relevanten Leistungsdaten
  • Die Hürde bei der Einführung eines APS-Systems ist die Erfassung der aktuellen Kapazitätssituation.
  • Zur Durchführung von TPM-Programmen fehlte die effiziente und kontinuierliche Erfassung von Maschinenlaufzeiten, Störzeiten und-ursachen.
  • Für die Optimierung kapitalintensiver Anlagen nach OEE fehlten Daten zu tatsächlichen Bearbeitungs- und Rüstzeiten.
  • Die vom Qualitätsmanagement geforderte Prozessstabilisierung erfordert die systematische Erfassung der relevanten Prozessdaten.

Alle diese Daten lassen sich erfassen, manchmal auch deduktiv aus anderen Daten herleiten. Doch ist der Aufwand ohne MES vielfach zu hoch, um hier mehr draus zu machen als ein einmaliges Projekt.

Einsparungen mit Vorsicht genießen
Der Einsatz eines MES-Systems sorgt für die kontinuierliche Erfassung sämtlicher Fertigungsprozesse und ermöglicht die zeitnahe Verarbeitung, entweder direkt im MES-System oder in integrierten Anwendungssystemen (PPS, Maintenance, Management Information, QS). Ein MES bietet damit den aussagekräftigen Überblick über die tatsächlich vorherrschende Situation und damit die Möglichkeit, operative Entscheidungen dichter an den eigentlichen Wertschöpfungsprozess zu bringen. Die oft zitierten Einsparungen an Durchlaufzeit und Beständen sind mit Vorsicht zu genießen. Hier handelt es sich vielfach um Doppelnennungen, d.h. die Einsparungen sind schon dem PPS-Einsatz „gutgeschrieben“ worden. Tatsächlich ist das Zusammenspiel beider Systeme gefordert. Mit MES allein in der Feinplanung etwas zu erreichen heißt, dass Prozesseingriffe innerhalb des kurzen Zeitraums (max. eine Schicht) im speziellen Fertigungsbetrieb möglich sind. Das ist nicht in jeder Fertigung der Fall. Eindeutig ist die Einsparung bei der Datenerfassung und der sog. Leistungsanalyse. Aufwändige Datenaufbereitung wird durch komfortable Reportgeneratoren ersetzt. Die Idee des „Fertigungs-Cockpits“ wird Realität. Auch im Zusammenhang mit der „Digitalen Fabrik“ liefert MES damit wertvollen Input. Nicht mehr die theoretische Modellierung (z. B. Verfügbarkeit 75%), sondern ein praktisches Verfügbarkeitsprofil kann bereitgestellt werden.

MES im Kern für den Shop-Floor
MES ist also das Fundament für den effektiven IT-Einsatz auf der Werkstattebene. Ziel ist es, alle fertigungsrelevanten Daten während der Entstehung des Produktes in einem System konsistent zu erfassen und zeitnah für unterschiedliche Aufgaben auszuwerten. Die neue VDI Richtlinie 5600 definiert dazu die acht Aufgaben des MES von der Feinplanung und -steuerung bis zum Informationsmanagement. Ob und in welchem Umfang diese Aufgaben erfüllt werden, unterscheidet entsprechend der Philosophie der jeweiligen Systeme erheblich. Zu den Kernfunktionalitäten ist in jedem Fall zu zählen:

  • Umfassende Ist-Datenerfassung (Prozessdaten, Produktdaten, Maschinenstatistik etc.),
  • Prozesskontrolle und Datenanalyse (statistische Prozesskontrolle, Abweichungs- und Trendanalysen etc.),
  • Feinplanung (Belegungsplanung, Reihenfolgeplanung, ggf. auch Scheduling etc.)
  • Betriebsmittelcontrolling (Zustandskontrolle und Ausfallanalysen etc.)
  • Leistungsanalyse (OEE, Entlohnungsdaten)

Nutzen über das Maß gesetzlicher Vorgabe
Wer die Option der Einführung eines MES in Erwägung zieht, muss wissen, dass MES die Stoßrichtung einer optimierten Produktion in einer digitalen, transparenten Fabrik verfolgt. Passt die Produktionsphilosophie zu ihrem Unternehmen? Oder gelingt es aufgrund ihres Produktspektrums und der Fabrikstruktur, die Transparenz mit Methoden der Lean Production herzustellen und über Visual Management zu führen? Trifft das zu, brauchen Sie kein MES. Jagen Sie ständig Rückständen hinterher und sind mit „Block-und Bleistift“ nicht weitergekommen? Müssen Sie dauernd umplanen, weil die Kunden wankelmütig sind bzw. Ihre Lieferanten Sie im Stich lassen? Sind Ihre Prozesse technologiebedingt nur begrenzt zu stabilisieren, so dass Sie mit stochastischen Ausbringungsquoten und Maschinenverfügbarkeiten zu tun haben? Hier hilft Ihnen ein MES höchstwahrscheinlich. Oder sind Sie in einer Industrie, in der der lückenlose Nachweis der Produktentstehung über die einfache Chargenverfolgung hinaus notwendig ist? Oder gar gesetzlich gefordert wird (Nahrungs- und Genussmittel)? Hier bleibt Ihnen gar keine andere Wahl. Die Frage ist, nutzen Sie die Möglichkeiten des MES zu Ihren Gunsten über gesetzliche Forderungen hinaus? Der erste Schritt ist also ein Review der Produktionsstrategie. Wenn damit der Handlungsrahmen klar ist und die betriebswirtschaftlichen Ziele abgesteckt sind, folgt die Auswahl und Einführung. Hierzu ist die Kenntnis des MES-Marktes erforderlich. Gelegenheit, sich einen Überblick über den MES-Markt aus der Nutzenperspektive zu verschaffen, bietet die Veranstaltung „PPS.SPEZIAL“ zu diesem Thema, die am 7. Februar 2007 in Bochum stattfindet. Diese Veranstaltung ist Bestandteil der „14. Aachener PPS-Tage 2007“:

erschienen in IT & Production , 01/02 2007

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