Toolmanagement für wirtschaftliches Zerspanen

Dipl. – Ing. MBM Gerhard F. Kohlberg ist selbstständiger Unternehmensberater mit Schwerpunkten Marketing und Personal für die metallverarbeitende Industrie

Das Thema Toolmanagement (TM ) erfreut sich zunehmenden Interesses. Wie populär diese Dienstleitung heute ist, zeigt die Teilnehmerzahl am diesjährigen TM – Seminar in Aachen, die gegenüber der letzten TM – Veranstaltung von vor drei Jahren eine satte Steigerung um 77 Prozent aufweist. Werkzeuganbieter und andere Dienstleister habe erkennbar „Witterung“ aufgenommen und stellten mit 60 Prozent der Teilnehmer die Hauptgruppe der Anwesenden.

Die Werkzeugversorgung unter dem Gesichtspunkt der Logistik war bereits das Thema eines Seminars der CIM GmbH, Aachen im Oktober 1997 gewesen, das im Rückblick als die Initialzündung für eine seitdem andauernde Diskussion des Begriffs Toolmanagement (TM) zu sehen ist. Einige der damaligen Seminarteilnehmer, die sich aus Werkzeug- und Dienstleistungsanbietern beziehungsweise Anwendern frequentierten, gehören heute zum „Who is Who“ des TM Umfeldes. Bei dieser Veranstaltung hatte Manfred Kainz von TCM in Graz seine TM – Aktivitäten in Ungarn und anderen Ländern vorgestellt. Der Mangel an „Hochglanz“– Folien wurde damals von seiner Überzeugungskraft und positiver Energie mehr als wettgemacht. TCM hat sich seitdem zu einem renommierten Anbieter von TM-Dienstleistungen weltweit etabliert. Auch Dr. Götz Marczinski, Geschäftsführer der CIM GmbH als Ausrichter des damaligen Seminars, hatte bei seiner Moderation sicher noch nicht ahnen können, dass sein Unternehmen nach vier weiteren TM -spezifischen Veranstaltungen [1] und dem Aufbau von TM –Beratungskompetenz mittlerweile so etwas wie die Deutungshoheit zum TM besitzt.

Das Toolmanagement setzt an drei Produktivitätshebeln an
In seinem Impulsreferat beim diesjährigen Seminar am 5.März hat Dr. M. Müller von CIM in populärwissenschaftlicher Weise sowohl eine Begriffsbestimmung vorgenommen als auch die technische und wirtschaftliche Bedeutung von TM dargelegt. Interessant war dabei sein Blickwinkel als TM- Dienstleister auf die differenzierten Belange des Anwenders. Da TM die drei Produktivitätshebel [2] „Werkzeugkosten (indirekt/direkt)“, „Vermeidung von Maschinenstillständen“ und den „Personalaufwand“ verfolge, gehe es beim sinnvollen Einsatz von TM um die Minimierung von Verlustleistung, die durch Werkzeugverschleiß und Schwankungen im Auftragsmix unvermeidbar sei. Der unmittelbare Einfluss von Zerspanungswerkzeugen auf die Produktivität muss Müller zufolge kontinuierlich erfasst und bei zukünftigen Planungsprozessen berücksichtigt werden. Die Herausforderung an alle Beteiligten (externe Dienstleister und Anwender) bestehe deshalb in der zeitgerechten Bereitstellung von Informationen über den bedarfsgerechten Werkzeugverbrauch an der Maschine, die unter optimierten Technologiebedingungen produziert.

TM als Baukastenlösung
Die Ausführungen von Dr. Müller machten klar, dass es für den wirtschaftlichen Einsatz von TM keinen „Königs-weg“ gibt. Durch die von ihm vorgestellte strukturierte Vorgehensweise bei der Ermittlung des Kundenbedarfs bieten sich jedoch gestufte Möglichkeiten für das Einstiegszenario von TM an (Bild1).

Für eine maßgeschneiderte Analyse empfiehlt sich ein externer Berater
Vor der Entscheidung für ein TM- Konzept und ein externes TM- Dienstleistungsangebot respektive der Festlegung auf einen TM- Anbieter steht für den Anwender die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit. Dabei spielen das gewünschte TM-Konzept und der Unternehmenstyp eine große Rolle. Umfangreiche Recherchen sind hierfür notwendig. Um Managementkapazität zu schonen und um politische „Spiele“ zu vermeiden, empfiehlt sich schon in dieser Phase die Einschaltung eines externen Beraters, der eine sorgfältige und maßgeschneiderte Tätigkeitsanalyse vornimmt.
Es liegt nahe, dass dieser Berater jedoch auf keinen Fall dem Kreis der potenziellen TM- Dienstleister angehören sollte.
Zur Erstellung neutraler Tätigkeitsanalyse bietet CIM vorgefertigte Fragebögen und Checklisten an, die auch das Benchmarking einzelner Tätigkeiten erlauben.

Dienstleistung TM in der Praxis
Das internes TM bei Airbus in Hamburg wurde von Ulrich Claußen, dem Leiter des Airbus- eigenen TM, vorgestellt. Mit drei Fertigungseinheiten und über 10.000 Mitarbeitern ist Hamburg der größte Airbus- Standort in Deutschland. Es werden dort Rumpfsektionen und Ausrüstungskomponenten für alle Airbustypen inklusive des A 380 gefertigt und montiert. Eine Studie der Uni Hannover im Jahre 2003 ergab, dass allein durch veränderte Logistik des Gemeinkosten-Materials (GKM) innerhalb des Fertigungs- und Montageverbundes der Löwenanteil der Gesamtkosten von aktuell 6,17 Millionen Euro deutlich reduziert werden konnte. Das Fazit aus dieser Studie lautet: „ Abholen ist teuer“. Damit waren die Beschaffungsanstrengungen der Mitarbeiter gemeint, die sich in der Vergangenheit die benötigten Werkzeuge, Prüfmittel und sonstige Materialien selbst besorgen mussten. Daraufhin wurde die „mitarbeiterbezogene Logistik“ zugunsten einer „auftragsbezogenen Logistik“ umgestellt. Das TM besorgt nun mit Hilfe von so genannter Service Center die Bereitstellung von Material-Kits, die das für die Abarbeitung eines Arbeitsauftrages benötigten GKM bereitstellt.

Tool Service (TS) und Tool Center (TC) als weitere Bausteine
TS übernimmt die Pflege und Instandhaltung der eingesetzten Werkzeuge und Geräte und deren Disposition bei Neubeschaffungen. Auch laufen alle externen Dienstleistungsaufträge - immerhin 70 Prozent aller Instandhaltungen - über TS. Die Datenverwaltung erfolgt elektronisch und ersetzt Werkzeugbücher, Karteikarten und Werkzeug-Blechmarken. Für die Versorgung der Fertigung mit Verbrauchsmaterial wie Zerspanung-werkzeuge testet man zurzeit die Automaten als TC von zwei unterschiedli-chen Lieferanten.

Externer TM-Dienstleister bei Visteon in Düren
Ulrich Schmitz, 6- Sigma- Koordinator, stellte das bei Visteon Manufacturing Operating System (VMOS) in Düren von einem externen Partner praktizierte TM vor. Visteon ist ein globaler Anbieter von Fahrzeugkomponenten, der 2000 durch ein Spin-off von Ford entstanden ist. Mit 72.000 Mitarbeitern in 25 Ländern wurde 2004 ein Jahresumsatz von 18,7 Milliarden US – Dollar erzielt. 40 Prozent aller für die Automobilproduktion benötigten Bauteile können hergestellt werden. In Düren sind 750 Mitarbeiter unter anderem mit der Produktion von Differenzial-, Getriebegehäusen, Hinterachsen und Aggregaten für den Vorderradantrieb mit einer großen Fertigungstiefe beschäftigt.

Bei der Suche nach dem Commodity Management Supplier (CMS) wurde bei acht Werkzeughersteller angefragt. Davon haben vier dem VMOS- Management und Einkauf ein CMS-Konzept präsentiert. Den Zuschlag bekam die Firma Sandvik Coromant GmbH in Düsseldorf, die seit 2003 die Schneidwerkzeuge (3.500 Produkte; 6,0 Millio-nen Euro Umsatz) für zwei Werke lie-fert.

Die Verantwortung des CMS unterliegen folgende Aufgaben:

  • Lagerung aller Werkzeuge im eigenen Lager,
  • Logistik aller (eigenen und fremden) Werkzeuge samt Wartung und Pflege,
  • Zerspanungstests und Kostenanalysen, daraus resultierende Änderungen bedürfen der Genehmigung von Visteon,
  • fixierte, jährliche Kosteneinsparung von 10 Prozent des Umsatzes.

Der Einsatz von TM bei VMOS wird überwiegend positiv beurteilt und hat im Jahre 2004 zu einer Einsparung von Werkzeugkosten gegenüber dem Vorjahr um 13,4 Prozent geführt.

Ausblick
Nachdem nun fast alle renommierten Werkzeughersteller und viele mittelständische Dienstleister TM als gute Möglichkeit für die Erhöhung der Kundenbindung [3] oder sogar als eigenständige Geschäftsidee entdeckt haben, kann man die weitere Verbreitung von TM in der industriellen Fertigung als gesichert voraussetzen. In einfacherer Ausprägung bietet TM auch die ideale Einstiegsmöglichkeiten für technikerfahrene „Ich-AGler“ in eine tragfähige Selbstständigkeit. Mit Sicherheit werden weitere Berichterstattungen folgen, die über aktuelle Entwicklungen aus dem Bereich Tool-management auf dem Laufenden halten.

LITERATUR

[1] CIM- Seminardaten und Themen mit TM-Bezug:

10/1997 Commodity Supply – Effizienzsteigerung in der Werkzeuglogistik
02/1999 Wirtschaftliches Zerspanen – TM in der Praxis
05/2000 Wirtschaftliches Zerspanen – Werkzeugorganisation und TM06/2002 Wirtschaftliches Zerspanen – TM in der Praxis
03/2005 Dienstleistung TM

[2] Müller, M.: Unterlage zum CIM Seminar „Dienstleistung TM“ am 05.03.2005, Seite 5

[3] Kohlberg, Gehard: WB Werkstatt und Betrieb Jahrg. 133 (2000) Heft 5, Seite 91

 

Toolmanagement – Dienstleister stellen sich vor

HAHN+KOLB Werkzeuge GmbH, Stuttgart
Referenten beim TM - Seminar waren Uwe Schmelzer, VL Zerspanungstechnik, und Marco Jauchstetter, VL Key Acc.Mgt.& E-Commerce, die in Kooperation das Global Tool Management (GTS)– ein Beschaf-fungskonzept der HAHN + KOLB- Gruppe- vorstellten. Das Unternehmen bietet ein breites und tiefes Programm für Werkzeuge, Mess- und Prüfmittel, Betriebseinrichtungen und Maschinen an. In Deutschland wurde 2004 mit 400 Mitarbeiter ein Umsatz von circa 121 Millionen Euro erzielt. Davon entfallen etwa 53 Prozent auf die Metallbearbeitung inklusive Messen und Prüfen.

Mit dem GTS macht Hahn + Kolb seinen Kunden ein Angebot, die Beschaffungskosten von C-Artikeln, die pro Bestellung durchaus dreistellige Eurobeträge ausma-chen können, drastisch zu reduzieren. Dargestellt wurde ein standardisierter Konzeptstufenplan, mit dem innerhalb von 6 Monaten die Beschaffungsroutinen für C-Artikel neu organisiert, eine Lieferantenreduzierung und die Einführung der eigenen Premium-Eigenmarken vorgenommen wird. Bedarfsbereiche, die nicht substituiert werden konnten, werden in die Systembelieferung mit eingebunden. Dieser Service wird sowohl national als auch international angeboten.

W. Achterberg GmbH, Hamminkeln – Brünen
Werner Achterberg, Geschäftsführender Gesellschafter, stellte in seinem Referat die unterschiedlichen Bauarten der marktgängigen Systeme mit deren Vor- und auch Nachteilen vor. Sein Unternehmen kann sich sehr pragmatisch den Kundenanforderungen anpassen und hat bereits –auch über Partnerunter-nehmen – circa 200 Systeme an Kunden (zum Beispiel auch Airbus in Hamburg) ausgeliefert. Achterberg liefert die Werkzeugautomaten auch mit Software zur Integration in ein TM-Konzept.

ISCAR Business Unit Engineering & Services
Werner Kieninger (Bild2), Leiter der Einheit CTMS (Commodity&Tool Management Services) bei ISCAR Hartmetall GmbH in Ettlingen, beschäftigte sich eingangs seiner Rede intensiv mit der Frage „Was ist Service?“. Dazu sind ihm nicht weniger als 38 Antworten eingefallen. Kieninger präsentierte überzeugend, dass sein Unternehmen als deutscher Ableger des drittgrößten Werkzeugherstellers der Welt mit dem CTMS das Werkzeugwesen nicht nur als Notwendigkeit der Versorgung und Bereitstellung deklariert (Bild3). Neben den auch von anderen Unternehmen bekannten Serviceleistungen bei der Disposition und Beschaffung oder der Lagerung im Werkzeugautomaten bietet ISCAR dem Anwender einen Zusatznutzen in Form aktiver Projektunterstützung. Dafür wurde unter seiner Leitung ein Team gebildet, das bereits für eine ganze Reihe automobiler Komponenten, beispielsweise Kurbelwellen, Achsschenkel, Ausgleichsgetriebe- und Getriebegehäuse, Motorgehäuse et cetera, eine fertigungstechnische Kompetenz aufgebaut hat, die mittlerweile auch international angeboten wird

erschienen in W&B 6/2005

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