Endlich Schluss mit dem Suchen! -
Toolmanagement in der Praxis - Systematische Produktivitätssteigerung

Dr. Götz Marczinski, CIM GmbH

Der Einfluss der Betriebsmittel auf die Produktivität der Fertigung wird oft unterschätzt. Wer, so eine Untersuchung der CIM GmbH Aachen, systematisch die Gesamtanlageneffektivität (OEE) analysiert, stößt höchstwahrscheinlich auf einen signifikanten Anteil ungeplanter Stillstände aufgrund fehlender oder falsch bereitgestellter Werkzeuge. Ein Fall für, das systematische Toolmanagement?

Entscheidend ist die Komplexität der zu lösenden Aufgaben, die zunächst von der Art des Fertigungsbetriebs bestimmt ist. Handelt es sich um eine Werkstatt mit wenigen (bis zu fünf) NC-Maschinen, geht es um eine größere Zerspanung (mehr als fünf NC-Maschinen), oder ist es ein Fertigungsverbund mit mehreren Standorten? Die Komplexität des Toolmanagements ist dann natürlich durch die Vielfalt und Menge der eingesetzten Werkzeuge getrieben. Erfahrungswerte zeigen, dass ein komplettes Toolmanagementsystem (TMS) nur für größere Fertigungsbetriebe sinnvoll ist, die mindestens 200 000 Euro pro Jahr für Werkzeuge ausgeben. Kleinere Werkstätten sollten auf fertige Werkzeugdatenbanken wie CS-Pro setzen, die mit wenig Aufwand zu einem Basis-TMS ausgebaut werden können.

Ein typischer Fall aus der Praxis der CIMAachen ist die AWS Achslagerwerk Staßfurt GmbH, die an mehreren Standorten Werkstücke für die Bahn- und Kfz-Industrie sowie den allgemeinen Maschinenbau fertigt. Das jährliche Volumen an Werkzeugen und Werkzeugkomponenten beträgt rund 600 000 bis 700 000 Euro. Der Maschinenpark mit fünf Bearbeitungszentren und mehr als 30 Einzelmaschinen ist umfangreich und sehr heterogen. „Obwohl wir immer wussten, dass unser Werkzeugbestand zu hoch und die Maschinenverfügbarkeit trotzdem zu gering ist, haben wir nie die direkte Korrelation zum Prozess der Werkzeugbereitstellung hergestellt. Auch den Aufwand für das Suchen der passenden Komponenten haben wir als zu groß empfunden, aber nie systematisch quantifiziert", so Patrick Luig, Geschäftsführer der AWS Achslagerwerk Staßfurt.

Eine Potenzialabschätzung des CIMAachen zeigte eine keineswegs untypische Situation:

  • Bei 16 Prozent aller Fertigungsaufträge werden Arbeitsabläufewegen Werkzeugmangels unterbrochen
  • 40 bis 60 Prozent ihrer Zeit sind Vorarbeiter mit der Werkzeugbeschaffung beschäftigt
  • 20 Prozent der Arbeitszeit der Maschinenbediener entfallen auf die Werkzeugsuche
  • 40 Prozent der Lagerplätze (Werkzeuge) sind nicht unter Kontrolle.

Konkret ergab sich für die Reorganisation im Werkzeugkreislauf ein Potenzial von rund 100 000 Euro pro Jahr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten zur Reduzierung der Werkzeugvielfalt damit stark eingeschränkt waren, dass viele Werkzeuge teilegebundene Freigaben hatten, die nicht geändert werden durften. Ein attraktiver ROI wurde deswegen vor allem mit zusätzlichen Einmaleffekten angestrebt, hauptsächlich per Abschmelzen der Überbestände an Werkzeugen.Die Höhe des gemeinsam von AWS und CIMAachen bestimmten Potenzials versprach, bereits im ersten Jahr die Einführungs- und Anschaffungskos-ten eines TMS deutlich zu übertreffen. Dementsprechend ermutigt war die Geschäftsführung, den eingeschlagenen Weg in Richtung Toolmanagement fortzuführen. „Im Mittelstand brauchen wir schnelle Mittelrückflüsse, gerade wenn es um Modernisierungs- oder IT-Maßnahmen geht", so Luig.

Die Anforderungen ans Toolmanagement sind gemeinsam mit den Mitarbeitern aus Produktion, AV und Einkauf in ein entsprechendes Lastenheft umgesetzt worden. Organisatorische Maßnahmen sind von einzuführenden IT-Funktionalitäten getrennt worden. Denn in der Praxis reicht Toolmanagement vom Aufräumen der Werkzeugschränke bis zur Unterstützung der Planungsabläufe.

In Abhängigkeit der betrieblichen Voraussetzungen können deswegen unter Umständen Module bereits vorhandener Systeme, wie z.B. das NC-System, die CAD-/CAM-Software oder auch Software der Maschinensteuerung für das Toolmanagement eingesetzt werden. Es kommt darauf an festzustellen, welches System das führende für die Werkzeugdaten ist. Hierbei hilft das Referenzmodell der CIMAachen.

Aus der systematischen Vorauswahl und detaillierten Workshops mit den „Top 3“- Anbietern ging der Toolmanager als optimales System hervor. Entscheidend war, dass alle Anforderungen des Anwenders abgedeckt wurden und der in der Analysephase prognostizierte ROI zugesagt werden konnte. Positiv auf der operativen Ebene war die Benutzerfreundlichkeit des Systems und der daraus resultierenden hohen Akzeptanz (die sich in der Punktebewertung in den Workshops niederschlug) auf Werkerebene.

Im Laufe der Auswahl und Einführung wurde erwartungsgemäß allen Beteiligten deutlich, dass Toolmanagement vor allem eine Systematik und erst in zweiter Linie ein „Stück“ Software ist. Vor der Implementierung waren nämlich zentrale Arbeitsschritte durchzuführen:

  • Aufbau eines zentralen, geschlossenes Werkzeuglagers je Standort, um die heute über die Bereiche verteilten Bestände an Komponenten und Werkzeugen zusammenzuführen.
  • Die Lagerverwaltung und Bestellanforderung über einen Mitarbeiter. Für die Spätschichten wurden Verantwortliche ernannt.
  • Die Erfassung und Pflege der vorhandenen Werkzeuge. Die Detaillierung und Klassifizierung erfolgen anhand der DIN 4000 unter Zuhilfenahme der Software CS-Professional.

CS-Professional bildet bei AWS die zentrale Datenbasis für Werkzeugkomponenten. Damit lassen sich die erfassten Werkzeuge mit verschiedenen Zusatzinformationen ”Toolmanager” integrieren. Somit ist eine einfache Datenübernahme von neuen Werkzeugen ins Toolmanagementsystem sichergestellt. Die Voreinstellung der montierten Werkzeuge wird dank der vorbildlichen Integration des “Toolmanagers” an die Voreinstellgeräten nahtlos unterstützt.

„Jedes IT-System kann nur so gut sein wie die verwendeten Daten.” Erklärt Patrick Luig. “Hier sehen wir durchaus noch Potenzial für die Verbesserung des Service durch die Lieferanten. Die Bereitstellung von Werkzeugdaten nach DIN 4000 und entsprechenden DXF-Grafiken würde uns die Arbeit sehr erleichtern.”

Das Anwenderurteil:

Der Anwender:
AWS Achsenlagerwerk Straßfurt GmbH
Das Projekt:
Einführung eines Toolmanagementsystems

Vorteile Nachteile
  • Zielzustand quantifiziert
  • Produktivitätshebel identifiziert
  • Sauberes Pflichtenheft
  • Umsetzungsreihenfolge: Organisation, Datenhaltung, Anwendungssoftware
  • Keine einheitliche Werkzeugbeschreibung
  • Keine Lieferantenintegration
  • Datenerfassung unterschätzt
  • Unklare Verantwortlichkeiten im Betrieb

Kontakte:

AWS Achslagerwerk Staßfurt GmbH, D-39418 Staßfurt; Patrick Luig, Tel.: 03925/960-402,
E-Mail: info@aws-tec.de

CIM GmbH Informations-und Produktionsmanagement, D-52074 Aachen; Götz Marczinski,
Tel.: 0241/8887-104,
E-Mail: hil@cim-aachen:de

erschienen in Fertigung, 09/2004

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