Über Grenzen hinweg - Effizientes Toolmangement erhöht die Maschinenverfügbarkeit und senkt die Prozesskosten

Dipl.-Ing. Ingo Laqua ist Geschäftsführer der CIM GmbH

Die Produktivität eines Industriebetriebes hängt in erster Linie vom effizienten Einsatz seiner Produktionsressourcen ab. Je nach Art der Fertigung leiten sich aus der Personal-, Material- oder Anlagenproduktivität die größten Stellhebel zur Effizienzsteigerung ab. Der Einsatz stimmiger und aufeinander abgestimmter Methoden zur Produktivitätssteigerung erfolgt in einem Produktionssystem.

Außer der Personalproduktivität ist eine hohe Anlageneffizienz in vielen Wirtschaftszweigen wesentliche Voraussetzung für hohe Wirtschaftlichkeit. Diese wird häufig mit der Gesamtanlageneffektivität (OEE: overall equipment efficiency) bewertet, die das Multiplikat von Anlagenverfügbarkeit, Anlagennutzungsgrad und erzielter Qualität darstellt. In der Praxis lässt sich ein schlechter OEE i.d.R. auf technologische und organisatorische Problemstellungen zurückführen. Technologisch betrachtet werden bspw. vorgegebene Prozessgeschwindigkeiten der Anlagen unterschritten, aus organisatorischer Sicht sind z.B. Materialien oder Werkzeuge nicht verfügbar wodurch es zum Maschinenstill-stand kommt.

Erreichte Verbesserungen werden leichtfertig verschenkt
Häufig stößt man dabei auf ein Problem, dem in vielen Industriebetrieben immer noch nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird. Ein effizienter Werkzeugkreislauf ist in nahezu allen Produktionsunternehmen wesentlicher Bestandteil der Produktionseffizienz. Ein Produktionssystem, das mit ausgewählten SMED-Methoden (single minute exchange of die) rein auf die Span-zu-Span-Zyklen fokussiert, hebt dabei nicht alle Potenziale, die ein wirtschaftliches Toolmanagement mit sich bringt.

Die durch Technologieverbesserungen gewonnenen Verbesserungen werden in der Praxis oft durch organisatorische Probleme, wie beispielsweise fehlende oder falsch zugeordnete Werkzeuge, leichtfertig wieder verschenkt. Analysen der Gesamtanlagenef-fektivität zeigen, dass daraus ein signifikanter Anteil ungeplanter Stillstände entsteht, obwohl Werkzeuge im Wert von bis zu mehreren tausend Euro an den betrachteten Fertigungszentren gebunden sind.

Diese offensichtlichen organisatorischen Probleme sind die am meisten genannten Gründe, warum ein Unternehmen ein Toolmanagementsystem einführt. Wie bei jedem DV-System muss im Vorfeld jedoch zunächst die Systematik (sprich die Abläufe und Verantwortlichkeiten) festgelegt werden, um die gewünschten Potenziale auch tatsächlich zu erzielen. Denn auch die Werkzeugversorgung der Maschinen ist nur ein Aspekt, der durch effizientes Toolmanagement verbessert werden kann.

Klassifiziert man die Ansatzpunkte, die sich durch wirksames Toolmanagement ergeben, so lassen sich drei Kreisläufe identifizieren, die es zu optimieren gilt: Der Kreislauf der Komponenten von den Lieferanten in den eigenen Betrieb, der Kreislauf der Werkzeuge von der Montage und Voreinstellung an die Maschine und zurück zur Aufbereitung, der Informationskreislauf zwischen Planung, Prozessauslegung und Einkauf.

Für den ersten Kreislauf findet man Dienstleistungsangebote, die die Versorgung mit Werkzeugen vereinfachen und die Prozesskosten für die Werkzeugbereitstellung nachhaltig reduzieren. Hierdurch sollen häufig auftretende Probleme im Beschaffungsprozess beseitigt werden. Konkret zielen solche Konzepte auf

  • zu lange Logistikketten beziehungsweise zu viele Schnittstellen im Beschaffungsprozess;
  • immer wieder auftretende Versorgungsengpässe;
  • hohe Inventurbestände, auch bedingt durch nicht verbrauchte Altbestände;
  • zu hohe Aufwände, vor allem im Bereich der innerbetrieblichen Logistik.

Werkzeughersteller und Dienstleister bieten heute bspw. entsprechende Versorgungskonzepte an, die es dem Kunden ermöglichen, den administrativen Aufwand für die Werkzeugbereitstellung bei gleichzeitiger Steigerung der Versorgungssicherheit erheblich zu reduzieren. So umfassen die angebotenen Leistungen unter anderem die Beschaffung der definierten Werkzeugvolumina bei Tier2-Suppliern sowie die Bereitstellung der Werkzeuge in Produktionsnähe durch entsprechende Werkzeugausgabesysteme.

Die Buchung und Verrechnung der Werkzeuge erfolgen hier nach Werkzeugentnahme. Die hinterlegten Mindestbestände lösen automatisch einen Bestellimpuls bei den Lieferanten aus, so dass neben der Wartung der Ausgabeautomaten nur noch deren Befüllung erfolgen muss. Über exakte Verbrauchsstatistiken wird der tatsächliche Bedarf zeitnah abgeglichen und die Werkzeugversorgung wird somit sichergestellt.

Die Vorteile dieses Konzeptes:

  • Die Werkzeugausgabesysteme gewährleisten eine sehr hohe Verfügbarkeit, ohne unnötiges Kapital zu binden (entspricht Konsignationslager).
  • Exakte Verbrauchsstatistiken schaffen eine erheblich verbesserte Kostentransparenz, da der Werkzeugverbrauch pro Bauteil und Maschine nachvollziehbar ist.
  • Ein Werkzeughersteller bzw. Dienstleister tritt als Einkäufer gegenüber den anderen Werkzeugherstellern auf und kann so Mengenvorteile im Einkauf erreichen.

Ein weiterer Aspekt zur Steigerung der Produktivität ist die Optimierung der innerbetrieblichen Abläufe. Durchaus übliche Kennzahlen, die die „Effizienz“ eines Toolmanagement-Kreislaufs im Unternehmen nach Erfahrungswerten der CIM GmbH Aachen bewerten, sind z.B.: Bei 15% aller Fertigungsaufträge werden Ar-beitsabläufe wegen Werkzeugmangels unterbrochen. 25% ihrer Zeit sind Vorarbeiter mit der Werkzeugbeschaffung beschäftigt. 20% der Arbeitszeit der Maschinenbediener entfallen auf die Werkzeugsuche. 40% der Lagerplätze (Werkzeuge) sind nicht unter Kontrolle. Mindestens 15% des durch Werkzeuge gebundenen Kapitals lässt sich abbauen, ohne dass dies zu Lasten der Werkzeugverfügbarkeit geht.

Über Software erst nach der Basisarbeit entscheiden
Die Anforderungen an einen Toolmanagement-Kreislauf ergeben sich somit in erster Linie aus den Bereichen Produktion, Arbeitsvorbereitung und Einkauf. Ein klassisches Reengineering bildet deshalb die wesentliche Grundlage, um Prozesse zu straffen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Demzufolge sind es häufig die vergleichsweise unspektakulären Maßnahmen, die entsprechende Erfolge mit sich bringen. Der Aufbau eines geschlossenen Werkzeuglagers, die eindeutige Festlegung von Verantwortlichkeiten und das „Aufräumen“ der Werkzeugschränke sind wesentliche Erfolgsparameter eines stimmigen Toolmanagement-Konzeptes.

Erst wenn diese Basisarbeiten erfolgreich beendet wurden stellt sich die Frage, in wie weit ein Stück Software helfen kann, mehr Transparenz und Effizienz in die bestehenden Abläufe zu bringen. Die sichere Verwaltung von Werkzeugen, die Generierung von Komplettwerkzeugen aus Einzelkomponenten, die Auswertung von Statistiken etc. sind nur einige Aspekte, die den Einsatz eines Toolmanagement-Systems sinnvoll machen. Dennoch bedeutet ein gesamtheitlicher Toolmanagement-Kreislauf mehr, als ein DV-System zu kaufen und die bestehenden, unstrukturierten Abläufe hierin abzubilden. Die Restrukturierung im Vorfeld und die Auswahl des richtigen Systems sind hier die wesentlichen Erfolgsparameter.

Eine effiziente Abbildung des Werkzeugkreislaufs im Unternehmen zu nachhaltigen Einsparungen führt. Diese lassen sich aus Erfahrungswerten wie folgt beziffern:

  • Die Vielfalt an eingesetzten Werkzeugen kann um bis zu 20% gesenkt werden.
  • Der Umlaufbestand lässt sich um über 30% reduzieren.
  • Der Werkzeugverbrauch kann um bis zu 15% sinken.
  • Die Maschinennutzung ist um bis zu 5% steigerbar.

Damit wird deutlich, das ein effizientes Toolmanagement wesentlicher Bestandteil eines ganzheitliches Produktionssystems ist, da Prozesskosten nachhaltig reduziert und Maschinenverfügbarkeiten erhöht werden. Zukünftig wird das Toolmanagement über die Grenzen der Fertigungsbereiche hinauswachsen und mehr planende Bereiche einschließen. Als Stichwort ist in diesem Zusammenhang die „Digitale Fabrik“ zu nennen, die ohne eine entsprechende Datenbasis nicht funktionieren wird

Fazit:

  • Effiziente Abbildung des Werkzeugkreislaufs führt zu Einsparungen
  • Toolmanagement erhöht Maschinenverfügbarkeiten
  • Toolmanagement wird künftig über die Fertigung hinauswachsen

erschienen in MaschinenMarkt, März 2005

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