Charakter.Kompetenz.Power –
Chefseminar im Zeichen der Reiss Profiles

Dr. Götz Marczinski

Um Führungskräfte mit idealen Eigenschaften zu finden und deren Leistungspotenziale im Unternehmen zur Entfaltung zu bringen, ist mehr notwendig als die materielle Mitarbeiterbeteiligung. Im Leistungssport wird dies ganz offensichtlich. Unter gleichen materiellen und organisatorischen Voraussetzungen funktionieren manche Teams, andere nicht. In attraktiv strukturierten Unternehmen "performen" einige Mitarbeiter, andere nicht.

Um hier weiterzukommen, hilft die Klärung der Fragestellung, was den Einzelnen tatsächlich antreibt. Denn offensichtlich gibt es hier Fehleinschätzungen. Wie sonst kann es zu den üblichen "Ent-Täuschungen" des betrieblichen Alltags kommen? Die Motive des leitenden Mitarbeiters, der überraschend auf das Angebot zum Wechsel des Arbeitgebers eingeht. Der ständige Stress mit bestimmten Mitarbeitern, Zielvereinbarungen zu formulieren. Das "Aneinandervorbeireden" in stereotypen Mustern. Diese Situationen waren bei CIMAachen der Auslöser, sich genauer mit sog. Motivationsmodellen auseinanderzusetzen.

Aus der Vielzahl möglicher Methoden und Hilfsmittel, die Dr. Götz Marczinski in seinem Einführungsvortrag darstellte, stach das nach seinem geistigen Vater Prof. Steven Reiss benannte Reiss Profile hervor. Die sowohl im Leistungsport wie in der industriellen Praxis bewährte Methode vervollständigt die bereits eingesetzten Führungsbausteine um den entscheidenden Punkt: Der Frage nach dem Menschen und seinem inneren Antrieb. Dazu hat Prof. Reiss in empirischen Untersuchungen herausgefunden, dass jeder Mensch in seinem Handeln von genau 16 Lebensmotiven beeinflusst wird. Sie erklären, warum jemand etwas tut und anderes keine Bedeutung für ihn hat. "Anhand der Ausprägung dieser 16 Lebensmotive können für die Praxis brauchbare Aussagen über Werte-, Ziel- und Motivstruktur gemacht werden, die das Handeln unbewusst steuern", so Hubert Coenen. Der Personalchef der 650 Mitarbeiter starken Kohl Gruppe setzt die Reiss Profiles bei der Personalauswahl und der Teamzusammensetzung ein. So konnte ein langjähriger Konflikt im Servicebereich aufgelöst werden, nachdem beiden Beteiligten die Leistungsmotive des jeweils anderen verständlich waren. Ob die Personalauswahl erfolgreicher läuft als bisher, ist nicht so eindeutig. Zwar hat man keine Fehlentscheidungen getroffen, doch ob die Entscheidung für die jeweils alternativen Kandidaten ein Fehler gewesen wäre, lässt sich logischerweise nicht klären.

"Offenheit und Bereitschaft zur Veränderung sind wesentliche Voraussetzungen, um mit dem Reiss Profile wirksame Effekte zu erzielen", so Volker Schürg, Geschäftsführer der Kressner GmbH, einem Bekleidungshaus innerhalb der Rewe Group. Und was sind wirksame Effekte in diesem Zusammenhang? "Beispielsweise zu lernen, eigene Erwartungen nicht auf die Mitarbeiter zu übertragen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Insbesondere bei starker Ausprägung bestimmter Lebensmotive", so Schürg. Die Befürchtung einiger Seminarteilnehmer, dass man sich als Führungskraft vor lauter Selbstreflektion verbiegen könnte, tritt Schürg entschieden entgegen. "Als Führungskraft habe ich auch ein Recht auf mein Profil!", brachte er die Sache auf den Punkt.

Dass die grundsätzliche Ausprägung der Lebensmotive sich für jeden Einzelnen im Laufe seines Lebens nicht grundlegend ändert, ist eine wesentliche Erkenntnis der Studien von Prof. Reiss. Deswegen, so Peter Boltersdorf, ist ein "Verbiegen" gar nicht möglich. Anders gesagt: Gegen sein Profil zu handeln kostet unnötige Energie. Der Experte, der bereits die Handballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2007 im "Projekt Gold" begleitet hat, weiß, wovon er spricht. So lernten die Seminarteilnehmer im Workshopteil des Seminars, dass es bei den Lebensmotiven nicht so sehr um Motivation geht. Vielmehr geht es darum, Kräfte zehrende Rahmenbedingungen zu vermeiden. Wer beispielsweise das Lebensmotiv Ordnung schwach ausgeprägt hat, für den ist das tägliche Aufräumen Verschwendung. Auf der anderen Seite ist es bei jemandem mit hoher Ausprägung bei "Ordnung" schmerzhaft, in einer unordentlichen Umgebung zu arbeiten. Der eine braucht die Ordnung nicht, um zu performen. Ordnung ist kein Leistungsmotiv. Der andere wird in Unordnung keine Leistung bringen können.

Am Ende des Seminars war die anfängliche Skepsis der Teilnehmer geschwunden. "Ich beginne bereits, in Motiven zu denken", fasste ein Teilnehmer zusammen. "In einigen der erläuterten Beispiele und Praxisfälle erkenne ich Parallelen im eigenen Unternehmen." Der ich Parallelen im eigenen Unternehmen." Der Seminarbesuch hat sich also gelohnt, es gab wertvolle Anregungen für die eigene Führungsarbeit. Und Führungsarbeit ist notwendig, auch im attraktiven Unternehmen. Denn von allein läuft nichts, auch wenn dies das Ideal des attraktiven Unternehmens ist.

erschienen in CIM Aktuell, 01/2008

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