Glatt und gleichmäßig

INTEGRIERTES PROZESSMANAGEMENT GEGEN PROZESSINSTABILITÄTEN

Instabile Fertigungsergebnisse verhindern eine sichere Planung und Steuerung der Produktion und verursachen hohe Durchlaufzeiten bei hohen Beständen. Auf dem Weg zu einer Null-Fehler-Produktion muss die Qualitätssicherung zum Initiator einer Stabilisierung werden. Der Carl Zeiss SMT AG gelang es mit Hilfe des Integriertes Prozessmanagments, Prozesse mit komplexen Technologiefolgen zu stabilisieren.

Störungen im Unternehmensalltag, vor allem in der Auftragsabwicklung sowie Planung und Steuerung der Produktion, basieren oft auf instabilen Fertigungsergebnissen der direkten Produktqualität oder auf dem schwankenden Aufwand zu deren Erreichung. Marktveränderungen, die eine Steigerung der Ausbringung bzw. eine Reduzierung des Aufwandes nötig machen, erfordern einen unverhältnismäßig hohen Einsatz von Mitteln.

Frühzeitige Prozessstabilisierung
Vor allem bei Bearbeitungsprozessen, bei denen die Merkmale der Kundenspezifikationen erst kurz vor oder in der Endprüfung gemessen werden können, wurden bislang oft kaum deutlich sichtbare Verbesserungseffekte erzielt. Gleiches gilt für Prozesse, in denen bisher keine klaren Übergabespezifikationen und Messungen der Qualitätsparameter zwischen den Prozessschritten durchgeführt wurden. Denn Instabilitäten können nicht einer konkreten Stellgröße, zumeist noch nicht einmal dem verursachenden Einzelprozess direkt zugeordnet werden. Außerdem können sich Instabilitäten einzelner Prozessschritte gegenseitig aufheben oder verstärken.

Derartige Schwierigkeiten traten auch bei der Carl Zeiss SMT AG auf. Das Unternehmen fertigt am Standort Oberkochen Objektive für Waferstepper-Anlagen, die in der Halbleiterfertigung zur Chip-Produktion benötigt werden. Zur Montage der Objektive werden Großlinsen mit geometrischen Genauigkeiten im Nanometer-Bereich hergestellt. Diese Genauigkeiten waren zwar stets erreicht worden, doch Instabilitäten einzelner Fertigungsprozesse führten zu stark schwankenden Bearbeitungszeiten. Diese wurden zum einen den Materialeigenschaften zugeordnet und zum anderen darauf zurückgeführt, dass die zum Teil manuellen Bearbeitungsschritte stark von den Erfahrungen der jeweiligen Mitarbeiter abhingen.

Zur Problemlösung wurde das Integrierte Prozessmanagement (IPM) herangezogen (siehe unten), das von der Abteilung Technologieentwicklung gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen CIM GmbH, Aachen, implementiert werden sollte. In einem Pilotprojekt wurde ein Verfahrensschritt der Linsenbearbeitung herausgegriffen. Ein SMT-Mitarbeiter sollte als Projektpate anschließend für den unternehmensweiten Roll-out der Methode verantwortlich sein.

Gemäß IPM muss ein Prozess erst stabilisiert werden, bevor die Produktivität gezielt optimiert werden kann (Bild 1). Im ersten Schritt wurde daher gemeinsam mit den Verantwortlichen aus Produktion und Technologieentwicklung ein Prozessmodell aufgebaut. Dieses beschreibt die Technologiefolge des Prozesses und definiert, welche Parameter auf den jeweiligen Produktionsschritt einwirken und wie diese jeweils das Prozessergebnis beeinflussen. Hierbei wurde festgestellt, dass Übergabespezifikationen zum Teil fehlten bzw. in Bezug auf die vom Kunden geforderte Qualität unvollständig waren. Deswegen wurden zur Beschreibung der auf den Prozess wirkenden Parameter (Schlüsseleingangs- und -ausgangsvariablen) sowie von deren jeweiligen Wirkzusammenhängen die internen Qualitätsziele vervollständigt.

Erfolg durch sorgfältige Analyse
Als wesentliche Stellgrößen für die Prozessqualität wurden die Bearbeitungsstrategie und die Qualität der Werkzeuge identifiziert. So wurde beispielsweise, neben einem festen CNC-Programm für die ersten beiden Bearbeitungsschritte, eine standardisierte Werkzeugvorbereitung eingeführt. Die Werkzeuge wurden für jedes Los neu überarbeitet, bei einer fixen Temperatur für eine gewisse Zeit gelagert und nach jeder Bearbeitung nach einem festen Prozedere gereinigt.

Bereits im Rahmen der Versuchsreihen zur Stabilisierung des ersten Prozessschrittes Automatenpolitur konnte die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines neuen Serienproduktes um 22 % reduziert werden. Die Standardabweichung der Bearbeitungszeiten sank um ca. 75 %, somit stieg die Genauigkeit, mit der dieser Bearbeitungsschritt geplant werden konnte, um denselben Wert. Die Anzahl der durchschnittlichen Rüstvorgänge je Linsenbearbeitung sank je nach Produkt um 25 bis 66 %. Die Steigerung der Ausbeute erfolgte dabei zu Gunsten des folgenden Prozessschrittes. So wurde die Weitergabe der Linsen in der Spezifikation signifikant gesteigert. Dies senkte wiederum den Bearbeitungsaufwand auf diesen Maschinen um über 30 %. Weil Wiederholmessungen entfielen, wurde auch der Kapazitätsbedarf auf den Engpassressourcen der Messtechnik deutlich entschärft.
Neben den mess- und sichtbaren Ergebnissen hatte das Projekt eine Reihe positiver Nebeneffekte:

  • Eine übergreifende Dokumentation des Prozess-Know-hows wurde aufgebaut und systematisiert,
  • die wesentlichen Bearbeitungsstrategien wurden ausgewählt und vereinheitlicht,
  • die Übergabespezifikationen zwischen den einzelnen Prozessschritten wurden definiert,
  • der Know-how-Transfer in und aus der Mitarbeiterebene wurde verbessert,
  • ein übergreifendes Qualifikationsprogramm für die Mitarbeiter sowie eine Job-Rotation zwischen benachbarten Bearbeitungsschritten wurden eingerichtet,
  • die systematische Prozessdatenerfassung wurde auf- bzw. ausgebaut.

Zwischenzeitlich hat das Unternehmen weitere Ressourcen für einen Roll-out bereitgestellt und das Projekt wie geplant unter eigener Leitung fortgesetzt.

Prozesse ganzheitlich betrachten
Die meisten Methoden für eine Stabilisierung anspruchsvoller Fertigungstechnologien beschränken sich auf einzelne Prozessschritte oder -technologien, ohne die Wirkzusammenhänge der Prozesskette zu berücksichtigen. Integriertes Prozessmanagement (IPM) entwickelt eine Vorgehensweise der amerikanischen Stahlindustrie zur prozessübergreifenden Stabilisierung branchenneutral weiter. IPM ermittelt bzw. ordnet auf Basis eines Prozessmodells der Kernvariablen die wesentlichen Maßnahmen, bewertet sie nach der Nebelwirkung und generiert eine Roadmap der Einzelaktivitäten unter Berücksichtigung der im Unternehmen verfügbaren Kapazitäten. Wichtiger Bestandteil der Umsetzung ist die Ausrichtung der zur Prozessüberwachung verwendeten IT-Systeme auf das definierte Prozessmodell.

Kontakt
Thomas Pehl
CIM GmbH Informations- und
Produktionsmanagement
T 02 41/88 87-0
info@cim-aachen.de

erschienen in QZ 10/2004

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