Industriegeschäft Online - Was bietet kommerzielle Software?

Dr. Götz Marczinski


In vielen Unternehmen lautet die Frage längst nicht mehr, ob das Internet zur Anwendung kommt, sondern wie. Und eine Alternative ist der Betrieb eines „Web-Shops", also einer interaktiven Verkaufsplattform für Produkte, Ersatz­teile und/ oder Serviceleistungen. Was bieten Shop-Systeme?

Ein Web-Shop ist wie jeder Internet-Auftritt zunächst einmal ein Marketinginstrument. Und dabei wird zwischen Beziehungsmarketing und Produktmarketing unterschieden.
An erster Stelle steht für den eigenen Web-Auftritt das Beziehungsmarketing. Es gilt, bestehende Kundenbeziehungen zu festigen und ertragreicher zu gestalten. Geringere Transaktionskosten, eindeutige Produktidentifikation, gezielte Promotions sind als Ziele zu definieren. Um neue Kunden zu gewinnen, steht das „Gefunden werden" an erster Stelle. Diese Aufgabe ist mehr eine Sache der Marktplätze und Suchmaschinen.
Um gefunden zu werden und als Basis für jede Navigationshilfe ist die Informationsgestaltung von zentraler Bedeutung. Denn das Internet eignet sich wie jede IT-Anwendung nur für kodiertes Wissen. Und die dazu notwendige Datenaufbereitung ist im Vorfeld zu erledigen, keine Shop-Lösung der Welt nimmt diese Aufgabe ab.

Komponenten eines Shop-Systems
Die Vielzahl unterschiedlich ausgestatteter Shop-Systeme verfügt über ähnliche Komponenten. Dazu gehören Storefront, Back Office, Entwicklungstools und eine integrierte Datenbank. Die Storefront ist die Seite, die der Kunde sieht. Zum Funktionsumfang gehören:

  • die Navigationshilfe
  • der Warenkorb, um mehrere Artikel gleichzeitig zu bestellen
  • die Wahl der Lieferbedingungen, ggf. mit Sendungsverfolgung
  • die Interaktion mit der Zahlungsabwicklung, ggf. mit Bonitätsprüfung

Unterschiede zeigen sich insbesondere in den Möglichkeiten, eine kundenspezifische Präsentation der Produkte bzw. kundenspezifische Preise und Rabatte über ein persönliches Login darzustellen.
Mit den Entwicklungstools lassen sich Vorlagen (Templates) für die Darstellung der Produkte, Kataloge und anderer Informationen in der Storefront erstellen. Es zeigt sich, dass bis auf einfache Produktkataloge alle leistungsfähigen Navigationshilfen „customized" wurden, was vielfach einer Neuprogrammierung entsprach. Als Differenzierungskriterium für den Web-Shop eignen sich diese Referenzen deswegen selten.

Über das Back Office wird der Online-Shop verwaltet. Hier werden alle Bewegungen in der Storefront automatisch registriert, bearbeitet und ausgewertet. Die Analysetools zur Auswertung der Zugriffe und der Transaktionen sind hier ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Shop-Lösungen. Im Back Office sind oft viele Funktionen eines Warenwirtschaftssystems zu finden. Alternativ werden auch Standardschnittstellen zu den gängigen ERP- und Warenwirtschaftssystemen angeboten. Wegen dieser Redundanzen sind die E-Commerce-Komponenten der etablierten ERP-Anbieter mittelfristig als vorteilhaft gegenüber Stand-Alone-Lösungen zu sehen.

Markteinschätzung
Aktuell gibt es weit mehr als 100 Produkte, die den Aufbau von Online-Shops ermöglichen. Anbieter sind einerseits neue Unternehmen der New Economy. Deren Shop-Lösungen lassen sich schnell über die Anzahl abzubildender Artikel und den Komfort der mitgelieferten Entwicklungstools auf wenige, industrierelevante Pakete eingrenzen. Andererseits bieten etablierte ERP-Anbieter entsprechende Lösungen an. Die Integration in die bestehende Warenwirtschaft ist dabei ein wesentlicher Vorteil, wenn es um Online-Verfügbarkeitsprüfungen geht.
In keinem Fall kann ein Web-Shop losgelöst vom bestehenden ERP-System gesehen werden. Vielmehr ist ein Web-Shop komplementär. Er ergänzt ein kundenfreundliches Front-End, um Kosten der Informationsbeschaffung,Bestellabwicklung und Kommunikationskosten zu senken, und damit bestehende Kundenbeziehungen zu festigen. Um neue Kunden zu gewinnen, sind Netzeffekte über Marktplätze bzw. Einkaufsplattformen zu suchen.

erschienen in CIMAktuell, Mai 2001

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