Kosten senken durch Wertanalyse - das Problem an der Wurzel packen

Ingo Laqua


Wer die Kosten in seinem Unternehmen nachhaltig senken will, kommt an einer systematischen Vorgehensweise nicht vorbei. Die Wertanalyse ist dabei eine geeignete Methode, um die klassischen Kostensenkungsmaßnahmen auch wirklich zielorientiert einzusetzen.

„Kosten senken!" ist heute mehr denn je das Credo, nach dem viele Industrieunternehmen geführt werden. Produktivitätsoffensiven und cash-flow-orientierte Effizienzsteigerungsmaßnahmen stehen deswegen bei vielen Unternehmern derzeit hoch im Kurs.
Will man jedoch eine nachhaltige Optimierung der Kostenpositionen erreichen, muss man zielorientiert da ansetzen, wo die Kosten auch tatsächlich verursacht werden, in Konstruktion, Einkauf und Fertigung. Als eine Methode für einen solch systematisierten Ansatz wurde bereits in den 1950er Jahren die Wertanalyse von L.D. Miles zur Wertsteigerung von Produkten oder Leistungen entwickelt (siehe auch DIN EN 12973).

Zwei Vorgehensweisen
Neben den vielen theoretischen Definitionen und Ausarbeitungen zur Wertanalyse gibt es in der Praxis zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen.

Konstruktionsorientierter Ansatz
Der klassische Ansatz der Wertanalyse geht dabei nicht von einem bestehenden Produkt aus, sondern von den Funktionen, die das Produkt erfüllen soll. Über das Anforderungsprofil werden Baugruppen definiert, die auf ihren Beitrag zur Funktionserfüllung und ihren Kosteneinfluss hin bewertet werden. Basierend auf dieser Vorgehensweise erfolgt eine kostenoptimierte (Neu-) Konstruktion. Diese Vorgehensweise trägt dabei der Grundregel Rechnung, dass nahezu 80% der Produktkosten bereits in der Konstruktion festgelegt werden. Der konstruktionsorientierte Ansatz kommt dabei primär bei Neuentwicklungen oder umfangreichen Re-Designs zum Tragen.

Produktorientierter Ansatz
Ein anderer Ansatz zielt auf ein bestehendes Produkt ab. Entsprechend einer ABC-Klassifizierung des Absatzes und der resultierenden Kosten werden A-Artikel systematisch wertanalytisch betrachtet. Hierbei wird ein Produkt in seine Einzelteile zerlegt. Jedes Einzelteil wird dann hinsichtlich seiner Kostenstruktur (Kalkulation/Arbeitsplan) analysiert. In einem interdisziplinären Team aus Konstruktion, Fertigung, Arbeitsvorbereitung und Einkauf werden dann alle Teile (differenziert nach Zukauf und Eigenfertigung) hinsichtlich ihrer Anforderungen und Kosten bewertet. Hieraus leiten sich konkrete Maßnahmen ab, die entweder konstruktive Änderungen, eine Umstellung des Fertigungsprozesses oder entsprechende Aktivitäten im Einkauf mit sich bringen.

Wertanalyse in der Praxis
Für einen solchen Ansatz hat sich auch das CoC Brake Control der Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH, eine Tochter der Knorr-Bremse AG, entschlossen. Lange Produktlebenszyklen, aufwendige Genehmigungsverfahren durch die Bahn und eine extrem breite Produktpalette gaben vor dem Hintergrund ansteigender Kosten den Anlass für ein umfassend angelegtes Projekt „Wertanalyse".
Hierbei wurde zunächst durch die CIM GmbH eine Produktdatenbank erstellt, um aufgrund der extrem hohen Artikelvielfalt einen Überblick über das unterschiedliche Absatzverhalten von 14 Produktgruppen zu erhalten. Grundlage der Datenbank sind unterschiedliche Datenquellen (ERP-,PDM- und MIS-System), die unter Access zusammengefasst, klassifiziert und strukturiert wurden. Die mehrschichtige Hierarchie der Datenbank ermöglicht einen Drilldown bis auf Artikelebene, wo Angaben über Herstellkosten, Umsatz oder Entstehungsort dargestellt werden können. Diese Systematik ermöglicht die effiziente Auswahl von Produkten, Produktfamilien oder Produktgruppen, die das größte Erfolgspotenzial für eine wertanalytische Betrachtung aufzeigen.

Die Betrachtung erfolgt dabei unter Einbeziehung aller betroffenen Mitarbeiter in Form von Workshops mit den beteiligten Standorten in Deutschland, Österreich und Ungarn. Durch diese Vorgehensweise wird sichergestellt, dass Kostenoptimierungen zielorientiert durchgeführt werden können. Bei einem konkreten Beispiel konnten bspw. durch geringfügige konstruktive Änderungen, eine Standardisierung von Bauteilen und eine Neuverhandlung der Zukaufkomponenten die Herstellkosten deutlich gesenkt werden.

Weitere Anwendungsbereiche
Eine Wertanalyse ist jedoch auch für andere Branchen interessant. Unternehmen, die bspw. bisher unter dem Fokus „time-to-market" standen und nun feststellen, dass der Kostendruck auch sie ereilt hat (Bsp. Halbleiterbranche), sollten in der Wertanalyse ein geeignetes Instrument sehen, um zumindest einigermaßen unbeschadet den nächsten Ramp-up abwarten zu können.

erschienen in CIMAktuell, Mai 2003

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