MES intelligent eingesetzt - Was alles möglich ist...

Dr. Götz Marczinski, CIM Aachen GmbH

Manufacturing Execution Systeme (MES) und die Suche nach mehr Produktivität und Effizienz in der Fertigung gehören zusammen. Die Anbieter solcher Systeme versprechen nicht nur, die Produktion transparenter und damit steuerbar zu machen, sondern auch, mehr aus den bestehenden Produktionsressour cen herauszuholen. Ist das möglich?

Ein Manufacturing Execution System ist im täglichen Umgang, in der Praxis, ein gänzlich anderes Werkzeug als die „gute alte MDE“. Es kommen attraktive Softwarearchitekturen zum Tragen, die sich durch hohen Nutzerkomfort und einfache Schnittstellengestaltung auszeichnen. Insbesondere die Visualisierungsmöglichkeiten und die Gestaltung der GUI werden einfach. Die Produkte der becos GmbH beispielsweise basieren auf der Core-Technologie, die eine nahtlose Integration der einzelnen Module zu einem Gesamtsystem sowie in das beim Kunden vorhandene DV-Umfeld sicherstellt. Die Module können einzeln oder im Verbund eingesetzt werden. Über die Integration von Visual Basic for Application (Microsoft- VBA) können Anpassungen und Erweiterungen effizient und ohne Verlust der Releasefähigkeit implementiert werden.

Moderne Cockpits im Trend
Auf Basis der mit einem Manufacturing Execution System (MES) erreichten Prozesstransparenz lassen sich nun prozessorientierte Kennzahlen entwickeln. Hierbei hilft die Methode Manufacturing Scorecard: Sie ermöglicht es, strategische Unternehmensziele schrittweise auf die Wertschöpfungsebene herunterzubrechen, um sie den Mitarbeitern vor Ort in Form von prozessorientierten Kennzahlen zur permanenten Umsetzung vorzugeben. Der Systemanbieter MPDV holt mit der Manufacturing Scorecard den Anwender bei seinem Problem ab. Denn eigentlich ist doch Software nur Mittel zum Zweck und der heißt eben "Fertigungsoptimierung". Und dazu müssen unterschiedliche Perspektiven ständig bewertet werden, denn ein optimaler Fertigungsprozess ist eben nicht eindimensional. Die auch von anderen Herstellern angebotenen Cockpit-Module liegen deswegen im Trend.

Und wie steht es mit Lean?
Es stimmt: Bei einem MES geht es immer auch um die Gratwanderung zwischen Mikro-Management und eigenverantwortlichem Handeln. Denn die gefühlte Transparenz übersteigt die tatsächliche von dem Tag an, an dem MES ernsthaft im Unternehmen diskutiert wird. So kann schnell der Eindruck des Beobachtetwerdens auf der Werkstattebene aufkommen. Das ist in jedem Fall kontraproduktiv zu möglichen Produktivitätssteigerungen. Hier ist ein Händchen für den Führungsstil gefragt, eine vertrauensvolle Basis für Gespräche ist die Grundvoraussetzung für den Erfolg eines MES-Projekts. Klare Ziele klar formulieren und an den passenden Stellen konsequent nachhaken – hart aber fair ist hierfür das passende Motto. "Und wie steht es mit dem Lean Management?" lautet ein häufiger Einwand, insbesondere wenn man CIM im Namen trägt? Ganz klar: MES steht zum Lean Management nicht im Widerspruch. Einschränkend wäre in Anlehnung an eine alte Werbeweisheit der Baustoffindustrie zu sagen: "Mit MES ist es wie mit Beton. Es kommt drauf an, was man draus macht!"

Der Teufel und die Details
So ist in den frühen Tagen des Toyota-Produktionssystems möglicherweise der Begriff MES unbekannt gewesen. Doch wie funktionieren denn die Andon-Tafeln der Automobilhersteller? Wie kommen denn die Daten dorthin? Schnelle Reaktionen auf Fehler beziehungsweise auf Planabweichungen erfordern eben zunächst die schnelle und verlässliche Zustandserfassung. Und dann die Zustandsdarstellung in Echtzeit! Und genau das macht MES mit dem Effekt, dass der Aufwand zur Datenerfassung und der Aufwand zur Überwachung des Auftragsfortschritts deutlich sinkt. Denn Lean Management dreht sich um das Aufspüren von Verschwendung, und da muss in modernen Produktionsumgebungen einfach genau hingeschaut werden. Der Teufel steckt im Detail. Die Redewendung "Hart aber fair" trifft sicherlich auf Toyotas Produktionsmanagement zu. Nicht beeinflussbare Maschinendaten sollen Schätzungen, Durchschnittswerte und Kompromissformeln ersetzen, das ist der Ansatz. In der klassischen Fertigung sind Zeitermittlungen und damit Arbeits- und Rüstpläne vor dem Hintergrund des Personaleinsatzes gemacht worden. Entlohnungsfragen stehen dabei im Vordergrund. Die Optimierung des Fabrik- Outputs ist damit in den meisten Fällen nicht zu erreichen.

MES ein Muss?
MES kommt immer dann in Betracht, wenn ein Unternehmen mit "Block und Bleistift" nicht mehr weiterkommt. Abgesehen von gesetzlichen Vorgaben, Stichwort Traceability, ist das dann der Fall, wenn Produktionsunternehmen ständig umplanen müssen, weil die Kunden kurzfristig Bedarfe ändern und die Lieferanten es im Stich lässt. Auch wenn Prozesse technologiebedingt nur begrenzt zu stabilisieren sind, so dass mit stochastischen Ausbringungsquoten und Maschinenverfügbarkeiten zu rechnen ist, wird der Einsatz eines MES notwendig. Damit die vielseits debattierte Transparenz in der Fertigung Einzug hält, für die faire Leistungsbeurteilung auf der Basis manipulationsfrei und automatisiert erfasster Werte, ist ein MES im modernen Unternehmen unerlässlich.

erschienen in IT & Production, Januar 2008

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