Produktionscontrolling - Baustein eines effizienten Produktionssystems

Ingo Laqua, CIM GmbH Aachen

Eine Produktion kontrolliert zu steuern, heißt im heutigen wirtschaftlichen Umfeld, effizient und termingerecht den Kundenbedarf zu treffen. Hier setzen Unternehmen Produktionssysteme ein, die die Marktanforderungen effizient umsetzen sollen. Voraussetzung für die Bewertung der Effizienz ist ein Produktionscontrolling, das spezifisch auf die jeweilige Produktion zugeschnitten ist und frühzeitig in Prozesse eingreifen kann.

Der effiziente Einsatz von Ressourcen in der Fertigung muss heute im Fokus produzierender Unternehmen stehen. Toyota hat diese Weisheit schon vor 30 Jahren mit seinem Toyota Produktionssystem (TPS) in die Praxis umgesetzt. Die Vermeidung von Verschwendung („Muda“) steht hier im Vordergrund und wurde so erfolgreich eingesetzt, dass das System bis heute in vielen Unternehmen (vorwiegend der Automobil- und Zulieferindustrie) kopiert wurde.

Um die Verschwendung im Unternehmen messen und die richtigen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung daraus ableiten zu können, bedarf es allerdings eines Instrumentariums, das den Ressourceneinsatz in Bezug auf Material, Personal und Kapital misst und an vorgegebenen Zielgrößen spiegelt. Dies geschieht in Form von Kennzahlen, die in einem Produktionscontrolling zusammengefasst werden.

Der Aufbau eines effizienten Produktionscontrollings bedingt, dass man zwei Fragen eindeutig beantworten kann:

  1. Welches vorrangige Ziel leitet sich aus der Unternehmensstrategie ab?
  2. Welche Charakteristika zeichnen das Unternehmen aus?

Die „Kopf“-Kennzahl
Das vorrangige Unternehmensziel leitet sich aus der Unternehmensstrategie ab und bildet die „Kopfkennzahl“ des Systems. Hier stehen i.d.R. betriebs- bzw. finanzwirtschaftliche Aspekte im Vordergrund, über die der Erfolg des gesamten Unternehmens definiert wird. In der Praxis trifft man hier auf Kennzahlen wie EBIT (Earnings Before Interest and Taxes), ROS (Return on Sales), ROCE (Return On Capital Employed) oder unternehmensspezifische Kennzahlen wie bspw. den CROGI (Cash Return On Gross Investments), der die Investitionen in das Verhältnis zum EBIT setzt.

Diese Kennzahlen resultieren aus der strategischen Zielsetzung des Unternehmens und sind die Grundlage, auf denen ein Produktionscontrolling aufbaut. Demzufolge muss das untersetzte Kennzahlengerüst zielführend auf die Erreichung dieser „Kopf“-Kennzahl ausgerichtet sein. Ein ROCE oder CROGI beispielsweise fokussieren auf das eingesetzte Kapital. Demzufolge sind für die Produktion bspw. eine hohe Maschinenauslastung bzw. ein guter OEE (Overall Equipment Efficiency) zielführend zur Erreichung dieser Kopfkennzahl.

Erkennen der Wirkmechanismen
Ein weiterer Aspekt, der beim Aufbau eines Produktionscontrollings zu berücksichtigen ist, ist, die Wirkmechanismen der Produktion zu verstehen und richtig einzusetzen. Je nach Marktorientierung und darauf ausgerichteter Fertigungsstrategie unterscheiden sich die Wirkmechanismen der Produktion, die für den Unternehmenserfolg entscheidend sind.

Ein Einzelfertiger bspw. definiert seinen Unternehmenserfolg neben den marktseitigen Aspekten in erster Linie über die Fähigkeit, die Losgröße 1 wirtschaftlich fertigen zu können und die Durchlaufzeit marktgerecht zu gestalten. Ein Hersteller von Katalogartikeln hingegen steuert seine Produktion im Wesentlichen über die Verfügbarkeit der Artikel, d.h. optimierte Fertigwarenbestände. Hierbei wird klar, dass solche unterschiedlichen Ausrichtungen beim Aufbau eines Produktionscontrollings zu berücksichtigen und individuell an die Unternehmensstruktur anzupassen sind.

Der Aufbau eines Produktionscontrollings
Was heißt das nun konkret? Ein durchgängiges Kennzahlensystem muss top-down entsprechend der Kopfkennzahl ausgerichtet werden und die spezifischen Produktionscharakteristika abbilden. Die grundlegenden Aspekte einer Kennzahlensystematik wie bspw.

  • für jede Kennzahl gibt es einen eindeutigen Verantwortungsbereich,
  • der Verantwortungsbereich für die Kennzahl kann diese messen und beeinflussen,

müssen berücksichtigt werden.

Wichtig ist, an der entscheidenden Stelle den Übergang von den betriebswirtschaftlichen Aspekten eines Kennzahlensystems zu den Produktionsbelangen zu realisieren. Nur so ist es möglich, das Kennzahlensystem auch wirklich effizient für das Produktionscontrolling nutzen zu können und die Unternehmensziele zu erreichen.

Demzufolge ist festzulegen, auf welcher (Hierarchie-) Ebene im System bspw. der Kostenbezug eingebracht wird. Die Erfahrung zeigt, dass auf Werkerebene Kosten nur selten transparent sind. Vielmehr sind nachvollziehbare Größen wie Produktivität (produzierte Gutstück/Anwesenheitszeit), Qualität oder Termintreue auf dieser Ebene geeignete Führungsgrößen. Bei einem durchgängigen Produktionscontrolling müssen diese Kennzahlen jedoch wieder top-down in Zusammenhang zur Kopfkennzahl stehen.

In der Praxis kann dies zum Beispiel über die Wertschöpfung realisiert werden. Die Wertschöpfung setzt sich „nach oben“ aus dem EBIT + Löhne und Gehälter + a.o. Ergebnis zusammen. Zur Werkerebene hin kann eine Wertschöpfung pro Schicht relativ leicht bestimmt werden. Der Zusammenhang von Kopfkennzahl zur transparenten Führungsgröße auf shop-floor-Ebene ist somit über drei Systemebenen realisierbar.

Die Wertschöpfung eignet sich ebenso, um eine unterschiedliche Fertigungsstruktur abzubilden, indem man entweder die Brutto- oder die Nettowertschöpfung für das Kennzahlensystem verwendet. Die Bruttowertschöpfung beinhaltet die Abschreibungen auf die Produktionsanlagen und berücksichtigt somit die Aspekte einer kapitalintensiven Fertigung. Die Nettowertschöpfung fokussiert lediglich auf die geleistete Arbeit und eignet sich somit vorrangig für eine personalintensive Produktion.

Unabhängig von der Auswahl der Kennzahlen, müssen diese bottom-up konsolidierbar sein, so dass beispielsweise ein ROS pro Segment oder Geschäftseinheit berechnet wird, aber durch Zusammenführen mit weiteren Segmenten oder Geschäftseinheiten für das gesamte Unternehmen konsolidiert werden kann. Voraussetzungen für die zuverlässige Konsolidierung nach oben sind eine einheitliche Kennzahlendefinition und eine einheitliche Bewertung der Zielerreichung.

ROS-basiertes Kennzahlensystem
Ein Beispiel für ein durchgängiges Konzept ist das eines Lohnfertigers, dessen Unternehmensziel sich aus der Vorgabe eines ROS ableitet. Zielsetzung war es hierbei, die Entlohnung der Mitarbeiter auf der shop floor-Ebene an den Unternehmenserfolg, den ROS, zu koppeln. Hierzu wurde top-down ein Kennzahlensystem aufgebaut, das jedem Mitarbeiter in Produktion und Administration seinen Beitrag zum ROS aufzeigt. Gleichzeitig wurden die Mitarbeiter über die Leistungskennzahlen, für die sie verantwortlich sind und die sie unmittelbar beeinflussen können, leistungsorientiert entlohnt.

Jede einzelne Kennzahl ist mit dem ROS gekoppelt. Somit wird für ein Unternehmen, das unter nicht ganz leichten Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern produziert, sichergestellt, dass auch wirklich nur das, was zuvor verdient wurde, an die Mitarbeiter weitergegeben wird. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation wird dieses Konzept heute von Geschäftsleitung und Belegschaft gleichermaßen getragen.

Fazit
Die klassischen Kennzahlen in einem Industriebetrieb aus den Bereichen Cost, Delivery und Quality sind notwendig, um den Erfolg eines Unternehmens oder einzelner Segmente bewerten zu können. Wenn diese zu mehr genutzt werden sollen als bunte Managementfolien zu erstellen, müssen sie jedoch immer im Gesamtzusammenhang mit einer auf die Unternehmensstrategie ausgerichteten Kennzahlensystematik gesehen werden. Erst hierdurch entsteht ein Produktionscontrolling, das als Bestandteil eines Produktionssystems dessen Effizienz bewertet und die Voraussetzung für zielführende Optimierungsmaßnahmen ist.

erschienen in ZWF 03/2004

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