Über mehrere Werke hinweg Wertstrom-Design für verteilte Standorte
Markus Schoor
Derzeit kommen Hersteller und Zulieferer der Automobilindustrie mit den Produktionskapazitäten an ihre Grenzen. Das wird hoffentlich so bleiben, denn der Markt nimmt weder Rücksicht auf Produktionsengpässe noch auf Überkapazitäten. Volumen- und Variantenflexibilität sind gefragt, nicht nur wenn es um Kapazitätserweiterungen geht.
Die FRÄNKISCHE Industrial Pipes GmbH & Co. KG mit Hauptsitz in Königsberg/Bayern stellt derzeit an sechs weltweit verteilten Standorten Produkte für Automobil- und Industrieanwendungen so erfolgreich her, dass die erst vier Jahre alte Fabrik in Okriky (Tschechien) bereits an die Kapazitätsgrenze stößt. Die Fertigungs- und Montagekapazitäten zu erhöhen ist die logische Konsequenz. Dabei soll aber sichergestellt werden, dass die bestehenden Potentiale vollständig ausgeschöpft werden. Sind die Durchlaufzeiten minimal? Wie steht es mit den Beständen und der Flächenproduktivität?
Den Ist-Zustand auf den Punkt bringen
Zur Klärung dieser Fragestellung wurde
für die über die beiden Standorte Königsberg
(Vorfertigung von Rohren) und Okriky
(Konfektionierung) verteilte Supply Chain
eine Wertstrom-Analyse durchgeführt.
Die "Current State Map" offenbarte schnell
die Potentiale in Bezug auf Bestände und
Durchlaufzeiten. Der Review der im Rahmen
der Produktionssystematik eingesetzten
Methoden und Tools ergab zudem, dass
Vieles zwar im Ansatz vorhanden war, die
Harmonisierung untereinander sowie die
konsequente Umsetzung jedoch Optimierungspotential
aufzeigte.
Schnell greifbare Ergebnisse erzeugen
Aus diesem Grund wurde dann das Produktionssystem
neu aufgesetzt. Ausgehend vom
'Ort der Wertschöpfung' wurden die Arbeitsinhalte
für die Konfektionierung am Standort
Okriky ausgetaktet und die Montagestationen
bestandsfrei in einer intelligenten
Montagezelle zusammengelegt. Durch eine
skalierbare Taktung wird es nun möglich, die
Montagezelle mit zwei, drei oder vier Mitarbeitern
zu besetzen, wodurch eine hohe
Volumenflexibilität sichergestellt werden
kann. Der Umbau der Montagezelle erfolgte
pragmatisch im Rahmen eines Kreativ-Workshops,
an dessen Ende bereits nach dem
neuen Prinzip montiert werden konnte. Die
Produktion im Fluss, die hierdurch erzeugt
wurde, eliminierte für Halbfabrikate die
Stellplätze in Produktion und Lager sowie
die zugehörigen Ein- und Auslagerungsvorgänge.
Die Systematik konsequent ausrollen
Motiviert durch die greifbaren Ergebnisse des ersten Workshops folgte
ein weiterer mit dem Fokus
auf den werksübergreifenden
Wertstrom. Hierbei rückte die
Losgrößendefinition der Vorfertigung
in den Mittelpunkt
des Interesses. Die im ersten
Ansatz berechtigte Losgrößenoptimierung
aus der singulären
Sicht des Stammwerks
führte nicht zum Optimum
für den gesamten Wertstrom.
Eine Reduzierung der Losgrößen
im Stammwerk wurde
erforderlich, um eine marktsynchrone
Produktion über
die gesamte Wertschöpfung realisieren zu können. Hierzu wurden Rüst-
Workshops durchgeführt, mit denen die Rüstzeiten
an den Spritzgussmaschinen der Vorfertigung
um 40% reduziert werden konnten.
Die Supply Chain über beide Werke wird
zukünftig über definierte KANBAN-Bestände
in einem Supermarkt verbunden.
"Entscheidend für die Akzeptanz und den damit verbundenen Erfolg waren die sofort sichtbaren Ergebnisse im ersten Workshop hier in Tschechien. Wir haben schnell eine erweiterte Sicht auf die Produktionsprozesse gewonnen und gleichzeitig eine Eigendynamik ausgelöst, mit der wir selbst nicht gerechnet haben. "
Jirí Novotný,
Werkleiter Okriky Fränkische Industrial Pipes GmbH & Co. KG
Mit der Betrachtung und Optimierung des werksübergreifenden Wertstroms wurde der Grundstein für ein ganzheitliches Produktionssystem bei der Fränkischen Industrial Pipes gelegt. Nun gilt es, die weiteren Maßnahmen, die sich im Laufe des Projektes herauskristallisierten, in Königsberg und Okriky konsequent umzusetzen sowie die Systematik auf die anderen Produktionsstandorte zu übertragen. Die Experten von CIM Aachen stehen der Fränkischen hierbei als Coach weiter zur Seite.
erschienen in CIM Aktuell, November 2011