Weniger ist Mehr
Dr. Götz Marczinski, CIM GmbH Aachen
Integrationsaspekte: Toolmanagement lohnt sich, wenn das gewählte System exakt auf die Bedürfnisse zugeschnitten ist. Oftmals gilt: ”weniger ist mehr”. Toolmanagement-Spezialist Götz Marczinski vom CIM Aachen gibt Tipps, wie sich Fehler vermeiden lassen.
Mehr als die Hälfte der Besucher auf dem EMO-Messestand der CIM Aachen GmbH begannen das Gespräch mit der Frage: ”Toolmanagement, was ist das überhaupt?” Das sind vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die als potenzielle Anwender offensichtlich noch nicht mit Toolmanagement in Berührung gekommen sind. Es lohnt sich also, nochmals die Grundzüge eines TMS darzustellen.
Und die andere Hälfte der Messebesucher? Das waren vielfach Vertreter grö8erer Fertigungsbetriebe mit konkreten Vorstellungen und praktischen Erfahrungen, aber diffusem Verständnis für Ursache und Wirkung von ”Fehlfunktionen” bereits eingeführter TM-Software. Vermeintliche Funktionsmängel sind im Kern Integrationsprobleme. Oder es fehlen ganz einfach die Daten. Aus der Perspektive der flexiblen Fertigung ist Toolmanagement zunächst nichts anderes als ein systematischer Ansatz und ein Regelwerk zur Durchführung von Werkzeugwechseln. Ein Toolmanagement-System unterstützt die dazu notwendigen Prozesse.
Werkzeugkreislauf im
Fokus
Stellt man sich die Frage, wo man die Informationen zur physischen
Bewirtschaftung des Werkzeugkreislaufs herbekommt und wer die
Informationen nutzt, dann wird schnell klar, was an Software gebraucht
wird: Werkzeuglogistik (Bestandsführung, Montage,
Voreinstellung und Werkzeugverfolgung) und Werkzeugdatenmanagement
(Datenverwaltung, Datenbereitstellung, Dokumentation,
Statusverwaltung).
Für den Benutzer offensichtlich notwendig ist die Software zur Werkzeuglogistik. Dazu gehört das Lagerverwaltungsmodul, um Bestände zu überwachen, Bedarfsmeldungen auszulösen und Bereitstellaufträge zu generieren sowie Bestellungen an Lieferanten auszulösen. Damit wird auch der Wiederaufbereitungskreislauf überwacht einschließ1ich der Werkzeugschleiferei und Beschichtern. Analyse- und Reportgeneratoren (Lager- und Verbrauchstatistiken, Kostenberichte) vervollständigen das Modul der Werkzeuglogistik.
Das Werkzeugdatenmanagement ist das Herz jedes Toolmanagement-Systems. Da ist zunächst die Datenbank selbst, als Integrationsplattform aller bislang beschriebenen Softwarefunktionen, zu nennen. Die Datenbank muss deswegen die Informationen für jede Anwendung bereithalten. Stammdaten beinhalten geometrische Werkzeugmerkmale, Technologiedaten, und Dispoparameter. Stücklisten und Verwendungsnachweise werden für Komplettwerkzeuge abgebildet. Immer mehr Unternehmen betrachten auch graphische Informationen (Photos, DXF-Grafik, CAD- Modelle) als wesentliche Elemente der Stammdatenbasis. Werkzeugdatenmanagement hat neben der Datenbankfunktion zwei weitere Dimensionen. Es geht einerseits um die Datenverwaltung einschließlich der Verwaltung der Freigabestatistik der Werkzeuge und der dazugehörigen Dokumente, denn die meisten Betriebe verlassen sich immer noch auf Papierdokumente. Andererseits geht es um die Datenerzeugung, insbesondere im Bereich der Grafiken. Mit Hilfe von Graphik-Editoren lässt sich beispielsweise die Grafik eines Komplettwerkzeugs aus den Grafiken der Werkzeugkomponenten erstellen, wie sie für die Voreinstellung und die Maschineneinrichtung gebraucht werden. In einigen Fällen umfassen die Funktionalitäten auch die Erstellung von 3D Modellen.
Grafik ist wichtig
Je umfangreicher der installierte Funktionsumfang ist, umso wichtiger
werden zunächst ”unsichtbare”
Integrationsaspekte. Wenn beispielsweise der Grafik-Editor ganz genau
auf die
Erzeugung von Werkzeugeinstellblättern ausgerichtet ist, muss
vor allem die Schnittstelle zum Voreinstellgerät
funktionieren. Um aber 3D-Modelle für die Simulation aus der
Werkzeugdatenbank zu erhalten ist
sicherzustellen, dass das empfangende System die Modelle auch
verarbeiten kann. Erfahrungsgemäß sind dazu
entsprechende
Schnittstellen zu erstellen, die derzeit noch nichts mit
”Plug-and-Play” zu tun haben.
Schnittstellen zu den
Lieferanten
Vermeintliche ”Fehlfunktionen” entstehen auch
dann, wenn ein leistungsfähiges System in ”kleiner
Ausbaustufe” gefahren wird. So beschwert sich ein Anwender
über das System des Marktführers, weil es angeblich
die Lagerverwaltung nicht sachgemäß
unterstützt.
Tatsächlich setzt dieses TMS ein automatisches Lagersystem
voraus, wo die Werkzeuge chaotisch aber mit eindeutigem Bezug zum
Lagerort abgelegt werden. Die grobe Zubuchung auf ein manuelles
Regallager war nicht vorgesehen. Das ist kein
grundsätzliches Problem des TMS, sondern der spezifizierten
Anforderungen. Im konkreten Fall wäre weniger mehr gewesen.
In die gleiche Kategorie fallen die Beschwerden, dass die Generierung von Bereitstellaufträgen entsprechend der Auftragslage und dem Abarbeitungsgrad der laufenden Fertigungsaufträge nicht funktionieren würde. Hier fehlt in der Praxis das klare Bild über den Fertigungsstatus. Entweder weil ein vorhandenes MES-System nicht integriert ist – oder ganz einfach weil die Buchungsdisziplin fehlt. Zu den Integrationsaspekten gehören auch die Schnittstellen zu den Werkzeuglieferanten. Diese müssen auch Datenlieferanten sein, wenn ein TMS lebendig gehalten werden soll. Auch wenn im Zuge der TMS-Einführung das Befüllen der Datenbank Projektbestandteil ist, fehlen im Tagesgeschäft nach kurzer Zeit die aktuellen Daten und damit die Akzeptanz des Systems.
Fazit: Toolmanagement lohnt sich für jeden Betrieb, wenn das gewählte System sauber auf die Anforderungen abgestimmt ist. Hier gilt in vielen Fällen ”weniger ist mehr”. Bei bestehenden Installationen wird empfohlen zunächst die Integrationsaspekte einschließ1ich der Buchungsdisziplin zu überprüfen, denn wahrscheinlich ist ihr Toolmanagement-System besser als sie denken.
Toolmanagement
Seminar
Nach dem großen Erfolg in diesem Jahr wird Anfang 2008 das
nächste Seminar zum Thema Toolmanagement ausgerichtet. Wieder
steht der Dialog von Anwendern und Anbietern entsprechender Systeme
im Vordergrund. fertigung und CIM Aachen laden am 22. Januar 2008 ins
Hotel Maritim nach Ulm: Anwender können sich ein Bild
über die Möglichkeiten aktueller
Toolmanagementsysteme machen und bewerten, ob es wirklich
”Top of the
Line” sein muss oder ob ”Hausmannskost”
reicht.
erschienen in fertigung, November 2007