Markus Krüger, Dr. Götz Marczinski

Ein Rundgang auf der diesjährigen AMB in Stuttgart zeigt den klaren Trend zur Komplettbearbeitung und zur Abbildung der NC-Verfahrenskette in 3D. Produktivitätspotenzial von 30%, 40% oder sogar 50% sind mit dem "richtigen" CAM-System möglich, so die Softwareanbieter.

Möglich ja, aber nicht selbstverständlich, so die Erfahrungen aus der Praxis. Es gibt sogar Beispiele in der Praxis, wo die Einführung einer CAM-Software nicht die beschriebenen Erfolge brachte, sondern teilweise zu erheblichen Maschinenstillständen führte. Das sind die Fälle, die auf unserem Tisch landen.

Die Probleme lassen sich dabei nicht an einer speziellen Software festmachen. Manchmal sind die bei der Investitionsentscheidung getroffenen Annahmen nicht stimmig, in anderen Fällen stimmen die Rahmenbedingungen nicht, und sehr oft sind die Mitarbeiter nicht sachgerecht eingebunden worden.

Fertigung auf Knopfdruck?
Nehmen wir die Investitionsrechnung. Wie oft werden beispielsweise Einfahrzeiten komplett gestrichen und als sofortige Einsparung deklariert. Dies kann man machen, wenn die "Fertigung auf Knopfdruck" hinterher sofort funktioniert. "Fertigung auf Knopfdruck" beschreibt aber den (theoretischen) Idealzustand, den wir bei CIM Aachen auch benutzen, um die Beteiligten "aus der Reserve" zu locken.

Doch die wesentliche Voraussetzung für die "Fertigung auf Knopfdruck" ist die Übereinstimmung einer simulierten Welt mit der realen Welt. Hierzu gehört beispielsweise das Rohteil. Hier sind die Punkte abzuklären, ob man in der digitalen Welt überhaupt ein Rohteilmodell hat und wer es in welcher Qualität erstellt. Darüber hinaus stellt sich dann die Frage, wie stark das 3D-Modell dann vom realen Rohteil abweichen kann. Gerade bei Gussteilen oder Schweißkonstruktionen ist das ein spannendes Thema.

Als Zweites stellt sich die Frage nach der Aufspannsituation. Ist die Aufspannung des Bauteils klar definiert oder gibt es "kreative Freiräume" an der Maschine, die auch zu Abweichungen zur Simulation und damit zu unbekannten Störkonturen führen? Als Drittes ist dann das Werkzeug zu nennen. Hier zeigt die Projekterfahrung, dass das erste Problem das 3D-Werkzeugmodell und das zweite Problem die Verfügbarkeit des Werkzeugs ist. Oft ist das Werkzeug aufgrund der Verfügbarkeit nicht so zusammengebaut wie angegeben und simuliert. Klar funktioniert das andere Werkzeug auch, aber auch auf Knopfdruck und dann ohne Kollision?

Qualifikation als Show-Stopper?
Als weitere Themen ist die Abstimmung der Organisation mit der Systematik des CAM-Systems und die Produktionsphilosophie zu nennen. Setzt Ihr Betrieb auf dezentrale Verantwortung mit qualifizierten Mitarbeitern bis an die Maschine? Oder sind Organisationsformen gefordert, um Qualifikationslücken zu "umschiffen"? Wie man sieht gibt es viele Themen, die verhindern, dass die automatisierte NC-Verfahrenskette die erhofften Einsparungen bringt. Jeder dieser Punkte ist alles andere als unlösbar - sie kommen nur zu einer ungünstigen Zeit!

Proaktiv handeln!
CIM Aachen empfiehlt, im Vorfeld der CAM-Einführung aktiv zu werden. Es geht darum, entsprechend der unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen die CAM-Strategie und den Fahrplan dorthin zu entwickeln.

Bewährt hat sich als Einstieg ein Workshop, der anhand von Praxisbeispielen die Ausgangslage spiegelt, die Einsatzfelder und Potenziale einer CAM-Software identifiziert und die realisierbaren Bestandteile des Zielbilds ableitet. Anschließend werden die wirklichen Produktivitätsfresser identifiziert und eine Verlustlandkarte erstellt. Aus der Verlustlandkarte werden Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung definiert, die meistens wenig mit der CAM-Einführung zu tun haben, aber zu den erwähnten Bedingungen für die erfolgreiche Einführung gehören. Somit ist das Wichtigste vor einer CAMEinführung: Fragen Sie sich bitte immer, ob die Hauptzeit in Ihrem Unternehmen wirklich der Engpass ist! Wenn Sie die Frage mit "Nein" beantworten, kontaktieren Sie uns bitte unter nc@cim-aachen.de, damit wir auch Ihnen rechtzeitig helfen können.

erschienen in CIM Aktuell, November 2010

Bewerbung