Kerpen: Die Produktionsprozesse entzerren

von Ingo Laqua, CIMAachen

Aachen (ba). Die Vermeidung von Komplexität sollte in der Produktionsplanung und –steuerung eines Industriebetriebs im Vordergrund stehen. Das Beispiel eines Kabelherstellers zeigt, wie komplexe Produktionsprozesse mit einem APS-System erfolgreich gemanagt werden.

Was tut ein Unternehmen, wenn die Produktstruktur auch nach ihrer Bereinigung immer noch sehr umfassend ist? Wenn die Exoten das Tagesgeschäft bestimmen und alternative Arbeitsfolgen auf kapitalintensiven Anlagen die Herstellkosten nachhaltig beeinflu-sen? Dieser Fragestellung sah sich die Kerpen GmbH & Co. KG ge-genüber.

Ein internationales Projektgeschäft mit großer Variantenvielfalt, starke Schwankungen der benötigten Produktionskapazitäten und die Forderung nach sehr kurzen Lieferzeiten kennzeichnen das Marktumfeld desUnternehmens im Bereich der Kabel für die Mess-/Steuer-/Regelungstechnik. Hinzu kommt, dass die Kerpen GmbH ihren Kunden den Service bietet, die Verlegelängen passgenau auf der Baustelle zu liefern, um so unnötigen Verschnitt zu vermeiden. Daher ist in diesem Bereich vielfach eine reine Auftragsfertigung ab dem ersten Arbeitsgang inklusive einer auftragsspezifischen Bestellung der benötigten Rohstoffe erforderlich. „Die Herausforderung an die Produktionsplanung besteht darin, die Kundenbedarfe, Materiallieferungen, Personalressourcen und Maschinenkapazitäten zu synchronisieren, wobei die Realisierung des vom Kunden geforderten Liefertermins die höchste Priorität besitzt“, so Joachim Heinen, technischer Leiter.

Zur Beherrschung dieser komplexen Planungsaufgabe hat sich das Unternehmen bereits Mitte der 90er Jahre zur Einführung eines Fertigungsleitstandes entschieden. Der wichtigste Grund für die damalige Entscheidung war, dass man sich damit die Möglichkeit versprach, gegen begrenzte Kapazitäten zu planen und damit eine realistische Planung der Liefertermine zu unterstützen.

Um kurzfristig entscheiden zu können, welche Auswirkungen die Einlastung von Projekten mit zum Teil sehr kurzen Lieferterminen und stark differierenden Bestellvolumina auf die Fertigung hat, bestand die Notwendigkeit, bei Bedarf neue Planungsläufe zu starten und so zeitnah die Auswirkungen auf die Maschinenauslastung und die Liefertermine anderer Aufträge zu erkennen und frühzeitig entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.

Derzeit stellt die Firma Kerpen ihre Produktionsplanung erfolgreich auf das System „FELIOS“ der inform GmbH um. Neben der Anforderung, ein modernes APS-System mit zusätzlichen Funktionalitäten einzuführen, werden damit konkret drei wichtige Ziele verfolgt. Zum einen soll mit dem neuen Softwaretool eine Rüstoptimierung bereits im Rahmen der Grobplanung erfolgen, da der Reduzierung des Rüstaufwandes in dem durch hohe Variantenvielfalt bei zum Teil geringen Losgrößen gekennzeichneten Produktionsbereich eine Schlüsselrolle zur Steigerung der Anlagennutzung zu-kommt.

Feinplanungsaufwand soll den Einsatz des Systems reduzieren

Zum zweiten sind in der Kabelproduktion unterschiedliche Routings (Einsatz alternativer Maschinen) möglich. Neben den technologischen und terminlichen Kriterien spielt die Minimierung der Fertigungskosten die wesentliche Rolle bei der Auswahl der einzusetzenden Maschinen. „Durch eine Grenzkostenbetrachtung im Rahmen des Optimierungsverfahrens wird erreicht, dass die jeweils kostenoptimale Maschine herangezogen wird, solange dies mit den Terminwünschen des Kunden vereinbar ist“, erklärt Heinen und verweist auf die hierfür erforderliche Datenqualität, beispielsweise in Bezug zu den Maschinenstundensätzen.

Drittens wird der Feinplanungsaufwand durch den Einsatz des Systems reduziert, indem automatisch der freigegebene Arbeitsvorrat je Maschine innerhalb einer eingefrorenen Zone dem Fertigungsbereich täglich zur Verfügung gestellt wird.

Definierte Prozesse sind der Schlüssel zum Erfolg

Der Erfolg eines APS-Systems hängt letzlich– wie jener der meisten Einführungen von Datenverarbeitungssystemen – im Wesentlichen von zwei Komponenten ab. Zum einen ist die Auswahl des richtigen Systems entscheidend für den Erfolg. Zum anderen müssen organisatorisch die richtigen Rahmenbedingungen vorliegen, um die gewünschten Effekte zu erzielen. „Definierte Prozesse und eine bereinigte Datengrundlage sind dabei die an erster Stelle zu nennenden Erfolgsparameter“ bestätigt Heinen.

Anforderungen an APS

  • Charakteristika Kabelhersteller:
    • Markt: volatiles Projektgeschäft, sehr kurze Lieferzeiten, Preiswettbewerb.
    • Produkt: hohe Variantenvielfalt.
    • Produktion: Auftragsfertigung, hohe Schwankungen der Produktionskapazitäten, Möglichkeit unterschiedlicher Anlagenroutings.
  • Anforderungen: Planungssimulation, rüstoptimierte Produktion, hohe Anlagennutzung, grenzkostenoptimiertes Anlagenrouting, Reduktion des Feinplanungsaufwands.

Was das Projekt bewirkte:

  • Vorher
    • Zentrale Verplanung und dezentrale Neuverplanung
    • Hoher administrativer Aufwand verursacht geringe Wertschöpfung
    • Lieferzeiten entsprechen PPS-verplanten Kapazitäten
    • Geringe Flexibilität entspricht nicht den Marktanforderungen
    • Suboptimale und dezentrale Planungsalgorithmen erzeugen lange Durchlaufzeiten und eine stockende Produktion (Liegezeiten)
  • Nachher
    • Dezentrale Verplanung durch autonome Fertigungsgruppen
    • Erheblich reduzierter Administationsaufwand durch Wegfall einer Planungsstue
    • Lieferserviceklassen orientieren sich an den realen Kundenbedürfnissen
    • Hohe Flexibilität bildet die Marktanforderungen ab
    • Frühzeitiges Erkennen der Auftragssituation und flexibles Anpassen aller Produktionsressourcen schaffen einen synchronen Produktionsfluss

erschienen in ProduktionNr. 17, 2005

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