Innovationsmanagement – Ausrichtung des Unternehmens auf Zukunftsaufgaben

Dr. Götz Marczinski

Innovationsmanagement hat eine Entscheidung oder Handlung zum Ziel, nicht den reinen Erkenntniszuwachs. Und dabei stehen sich bestehende Unternehmen meist selbst im Weg. Denn wenn eines sicher ist im Unternehmen, dann sind es Tagesprobleme. Tagesprobleme können nicht verschoben werden, sie müssen sofort gelöst werden. Das Tagesgeschäft fordert höchste Priorität. Und das zu Recht.

Doch gerade weil das gemeinsame Werte- und Führungsverständnis in erfolgreichen Unternehmen vergleichbar den Selbstreinigungsmechanismen natürlicher Organismen funktioniert, haben Innovationen so schlechte Überlebenschancen in diesem Umfeld.


Deswegen sind Regelungen und Verfahren erforderlich, um die langfristige Zukunftsgestaltung zum "Normalfall" im Unternehmen zu machen. Im einzelnen ist

  1. die Organisation für Neues empfänglich zu machen und Innovationen aktiv zu fördern
  2. die Innovationsleistung systematisch zu messen und zu bewerten
  3. die Organisation entsprechend zu strukturieren und führbar zu machen

Bild aus Chefseminar

Innovationsklima schaffen
Innovatives Handeln für die Entscheidungsträger attraktiv zu machen, heißt zum großen Teil, eine systematische Politik des Fallenlassens zu betreiben. Dazu werden regelmäßig jedes Produkt, jeder Vertriebskanal und jede Technologie auf den Prüfstand gestellt. Was immer verbraucht, überflüssig oder unproduktiv geworden ist, wird emotionslos aussortiert.

So lautete die zentrale Frage bei einem Hersteller von Edelmetallbauteilen: "Würden wir heute in die Technologie der Kornstabilisierung investieren?" Dieses Verfahren war vor einigen Jahren entwickelt worden, da ansonsten bestimmte Hochtemperaturanwendungen nicht zu realisieren waren. Die mit Unterstützung der CIM GmbH erarbeitete Antwort war: Nein! Mittlerweile hatte das "Standardmaterial" ausreichend Reserven, so daß die hohen Kosten nicht mehr gerechtfertigt waren.

Die Qualität des Managements unseres Beratungskunden zeigte sich daran, daß aufgrund dieses unbequemen Ergebnisses nicht die nächste Studie beauftragt wurde. Stattdessen wurde der Ausstieg aus dieser Technologie vorbereitet. Und damit knappe Ressourcen für dringende Zukunftsprojekte freigesetzt.

Denn um als Organisation wirklich innovativ zu sein, müssen die Leistungsträger auf die Herausforderungen der Zukunft angesetzt werden. Und dazu bedarf es entschlossener Entscheidungen. Prioritätenlisten helfen nicht, denn was heißt schon "Zweite Priorität" bei knappen Ressourcen? Fallenlassen (oder "weiß nicht"), aus der Sicht des Top-Managements. Im Verborgenen weiterarbeiten, für die Beteiligten. Ein klares Nein ist die richtige Entscheidung.

Wesentlich für die zukunftsgerechte Einstellung der Führungskräfte ist auch, in das Reporting die Analyse von überdurchschnittlichen Entwicklungen aufzunehmen. Damit werden mögliche Innovationsansätze ins tägliche Bewußtsein gebracht. Es wird nicht mehr ausschließlich über Probleme geredet.

Für das Messen der Innovationsleistung sind die zuvor definierten eigenen Erwartungen der beste Maßstab. Dazu gehören regelmäßige Reviews, wobei der Zeitmaßstab den typischen Entwicklungszyklen, und nicht den jährlichen Budgetplanungen entsprechen sollte.

Zukunft von Tagesgeschäft trennen
Schließlich ist klarzustellen, daß Innovationsleistung von Menschen erbracht wird. Und die fordern klare Strukturen und Verantwortlichkeiten, zielkonforme Anreizsysteme und gestalterische Freiräume. Deswegen ist das Zukunftsgeschäft vom Tagesgeschäft organisatorisch zu trennen.

Damit ist nicht notwendigerweise ein zusätzliches Kästchen im Organigramm gemeint. In kleinen Unternehmen noch nicht einmal ein Full-time Job. Doch aufgrund der speziellen Aufwand/Nutzen-Wertigkeit, wegen der Zerbrechlichkeit neuer Ideen, muß Innovation von Anfang an vom Tagesgeschäft separiert werden.

Denn das Zukunftsgeschäft ist für jedes Unternehmen wie ein Kind. Und das gehört in den Kindergarten. Die "Erwachsenen", das sind die Führungskräfte der operativen Einheiten, haben weder Verständnis noch Geduld für die besonderen Erfordernisse von Innovationsprojekten.

Im Ergebnis führt das Innovationsklima zum systematischen Fallenlassen und damit zur Offenheit für Neues. Die tatsächliche Innovationsleistung wird in separaten Einheiten erbracht.

erschienen in CIMAktuell, November 1999

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