Kontrolliertes Outsourcing - Praxisbericht
Thomas Pehl
Das Outsourcing der Fertigung im Sondermaschinenbau führt oft zu Problemen bei der Teileverfügbarkeit. Viele Unternehmen verzichten daher auf diesen Schritt bzw. „sourcen“ wieder „in“. Wie die Konzentration auf die Kernkompetenzen trotzdem funktioniert, zeigt das Fallbeispiel der STEAG HamaTech GmbH.
Die technologische Entwicklung auf dem Markt der Informationsverarbeitung erfordert durch große Innovationssprünge immer neue Fertigungsprozesse. Erfolgreiche Maschinen- und Anlagenbauer in diesen Branchen arbeiten daher mit sehr kurzen Innovationszyklen und geringer Vorhersagesicherheit. Die Konzentration des Abnehmermarktes der Maschinen und Anlagen auf wenige große internationale Kunden in Übersee und Fernost erzeugt zudem einen hohen Anteil kundenspezifischer Lösungen. Die Bedarfsverläufe sind stark vom Endverbraucherverhalten abhängig und oft (z.B. nach Messen) sehr kurzfristig.
Diese Marktsituation stellt hohe Anforderungen an die Teileverfügbarkeit in der Montage der Maschinen- und Anlagenbauer, die selbst mit einer eigenen Fertigung nur schwer zu realisieren sind. Viele Unternehmen lösen dieses Problem trotzdem durch das Aufrechterhalten oder Wiederaufbauen (Insourcing) einer eigenen Produktion.
In dieser Beschaffungssituation befindet sich auch die STEAG HamaTech GmbH, Sternenfels. Das Unternehmen steht weltweit an der Spitze der Hersteller von Maschinen für die CD-Belackung (CD-R, CDRW, DVD) und die Produktion von Photomasken. 1994 hat das Unternehmen konsequent den Schritt des Outsourcing aller Fertigungskapazitäten gemacht, um sich auf das Kern-Know-how (Prozeßtechnik) zu konzentrieren. Damit verbunden hat man die Kostentreiber der Fertigung in ein eigenständiges Unternehmen umgewandelt.
Durch zunehmenden Unternehmenserfolg gab es Mitte 1997 Probleme bei der Teileverfügbarkeit. Dieses Beschaffungsproblem wurde, neben anderen Teilprojekten (z.B. zur Standardisierung), mit der CIM GmbH bearbeitet.
Aufgrund der Anforderungen an die Teilebereitstellung wurde die notwendige Lieferantenstruktur abgeleitet. Entgegen Strategien für die Beschaffung, die die Konzentration auf wenige Lieferanten zur Erzielung von Mengeneffekten zum Ziel hat (z.B. „Single Sourcing“), wird langfristig auf eine größere Anzahl kleiner, hochflexibler und innovativer Anbieter aus der näheren Umgebung gesetzt.
Die Vorteile dieser Struktur liegen in der Flexibilität und dem positiven Marktseitenverhältnis zu kleinen Zulieferern. Der Hauptvorteil ist darin begründet, daß die verfügbaren Kapazitäten sehr kurzfristig deutlich erhöht werden können. Kleine Unternehmen ermöglichen durch flexible Arbeitszeiten kurze Lieferzeiten, so daß Änderungen am gleichen Tag machbar sind. Beispielsweise wurden über die Weihnachts- und Neujahrszeit kurzfristig Anlagen für Übersee produziert.
Als Grundlage für die sichere Beherrschung der Lieferantenbeziehung wurden, entsprechend einem Lieferantencontrolling, Zielvorgaben erarbeitet, die sich aufgrund der engen Projekttermine stark auf die Termindisziplin des Lieferanten konzentrieren. Diese Richtlinien wurden mit Lieferanten vorab diskutiert und an alle Zulieferer als formulierte Kundenbedürfnisse kommuniziert. Sie umfassen in erster Linie die relevanten Schritte der Bestellanbahnung und -abwicklung. Auftragsbestätigungen werden beispielsweise in 3 Tagen gefordert, um der Produktion rechtzeitig eine realistische Planung zu ermöglichen.
Die Zielerreichung wird durch den Einkauf überwacht, um einen objektiven Überblick über die Leistungsfähigkeit der Zulieferer zu erhalten und zu helfen, diese aufzubauen. Es zeigte sich beispielsweise, daß kleine Zulieferer oft keine eigene EDV zur Auftragsabwicklung haben. Für diese wurde ein vereinfachtes Verfahren zur Auftragsbestätigung aufgebaut. Zudem wird ihnen wöchentlich eine Lieferübersicht zur Verfügung gestellt.
Als Zeitrahmen für die Erfüllung aller Anforderungen aus den Lieferanten-Richtlinien wurde ein Zeitraum von 9 Monaten gesetzt. Am Ende eines Quartals erhält jeder Lieferant einen Statusbericht mit einer Einstufung in Relation zu den anderen Lieferanten. Dieses Vorgehen wird von den meisten Lieferanten begrüßt.
Mit diesen und weiteren Maßnahmen wurde der Lieferrückstand von über 50% auf unter 5% gesenkt.
Als weiterer Schritt wird die Aufgabenverteilung im technischen Einkauf auf Basis einer Ressourcenanalyse neu segmentiert. Sachbearbeiter, die bislang repetitive Tätigkeiten ausführten, werden stärker in die Bestellabwicklung und Lieferterminverfolgung integriert, um die Einkäufer für strategische Kernaufgaben (Lieferantenbewertung etc.) freizusetzen.
Mit dem Abnehmermarkt wird sich auch die Materialwirtschaft zukünftig mitentwickeln. Zentral bleibt aber die Grundregel der engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit ausgewählten Lieferanten.
erschienen in CIMAktuell, Mai 1998