Organisationsgestaltung zwischen Krisenmodus und Raumgewinn

Dr. Götz Marczinski

Spektakuläre Maßnahmen sind es nicht, die erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen unterscheiden. Es ist die konsequente Anwendung bekannter Methoden und Verfahren, die exzellente Unternehmen kennzeichnet, so die zentrale Botschaft des diesjährigen Chefseminars.

Ein Merkmal exzellenter Unternehmen ist, dass sie klaren Kurs in rauer See halten. Voraussetzung dafür war ein klares Ziel, eine klare strategische Positionierung. Dass Kurs gehalten wurde zeigt sich daran, dass Kapazitätsanpassungen in schweren Zeiten nicht die Wertschöpfungsfähigkeit grundsätzlich beeinträchtigt haben. Welche Flexibilität sich durch die konsequente Ausrichtung entsprechend der Prinzipien der schlanken Produktion erzielen lässt, zeigte Roland C. Molz am Beispiel der Carl Zeiss SMT AG. Die Basis wurde im Jahr 2006 mit stabilen Prozessen gelegt. Dann wurde schrittweise in Richtung des One-Piece- Flow gearbeitet. Die Nagelprobe für die Flexibilität der Organisation kam in 2009. Umsatzverluste von 60% innerhalb kürzester Zeit waren abzufangen, ohne die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten einzuschränken. Dabei hat sich bewährt, dass die Mitarbeiter von Anfang an "mit auf die Reise" genommen worden sind. Der faire Umgang miteinander hat auch unbequeme Entscheidungen akzeptabel gemacht.

Unternehmerische Freiheit ist der rote Faden in der Organisation der Beteiligungsunternehmen der GESCO AG. Mit einer Holding von nur 13 Mitarbeitern werden 14 eigenständige Unternehmen betreut nach dem Motto: Die Stärken des Mittelstands bewahren, mögliche Schwächen vermeiden. Wer die Geschäftsführung in einem Beteiligungsunternehmen übernehmen will, der muss sich an "seinem" Unternehmen beteiligen. Und das langfristig, so wie die GESCO AG dies selbst tut. Die dadurch erzeugte hohe Übereinstimmung von Gesellschafter und Managementinteressen ist ein Grund dafür, dass die Beteiligungsunternehmen im Boom überduchschnittlich profitabel waren und in der Krise vergleichsweise glimpflich "davongekommen" sind, so Dr. Gert Mayrose, Vorstand der GESCO AG.

Dass schlanke Unternehmensstrukturen Ergebnis einer kontinuierlichen Führungsarbeit sind, wurde auch im Vortrag von Thomas Hiby, Geschäftsführer der A. Hiby GmbH, deutlich. Dazu gehört auch das Hinterfragen strategischer Positionen, wenn sich - wie in der Krise 2009 - die Rahmenbedingungen ändern. So ist als Reaktion auf den deutlichen Abschwung die Anzahl operativer Gesellschaften dadurch reduziert worden, dass die vormals getrennten Unternehmen zur Serienfertigung von Tankarmaturen, die Einzel- und Kleinserienfertigung und die Gießerei in einer Gesellschaft mittelfristig zusammengeführt werden. In der Gießerei ist zudem die Wertschöpfung durch die Integration der Gussnachbearbeitung erhöht worden, was gleichzeitig die Durchlaufzeiten reduzierte. Und schließlich sind die Produktionsstandorte insgesamt reorganisiert worden. Getreu dem Motto "Im Sturm den Aufstieg vorbereiten" (s. Chefseminar 2009) hat man bei Hiby damit die Flaute genutzt, um umso stärker in den (hoffentlich!) nächsten Aufschwung zu starten.

Zur Restrukturierung mit System, wie sie bei Hiby durchgeführt wurde, gehört auch immer eine ganz wesentliche Frage: Ist die Administration so schlank wie der Rest des Unternehmens? Denn gerade bei produzierenden Unternehmen fällt auf, dass die direkte Wertschöpfung, also Fertigung und Montage, vielfach auch die Logistik, ständig im Fokus von Verbesserungsmaßnahmen steht. Was aber ist in der Verwaltung? Mit einer Einführung in die Methoden der Lean Administration zeigte Ingo Laqua von CIM Aachen, dass und wie sich die Methoden der Lean Production auf administrative Prozesse übertragen lassen. Gemeinsam mit den 20 Teilnehmern des Seminars ist dann an einem Beispielprozess ein Wertstrom-Design durchgeführt worden. "Zwei unserer Mitarbeiter nehmen ja bereits am Arbeitskreis Lean Administration der CIM Aachen teil. Jetzt ist mir klar, wie wertvoll das für unser Unternehmen sein wird,“ so der Kommentar eines Seminarteilnehmers.

erschienen in CIM Aktuell, April 2010

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