Produktivitätsoffensive – marktgetriebene Dynamisierung der Fertigungsstrategie in föderalen Strukturen

Dr. Götz Marczinski

Zur Produktivität gibt es unterschiedliche Definitionen, die prinzipiell immer Nutzen-/Aufwand-Relationen in unterschiedlichen Ausprägungen darstellen. Meistens geht es jedoch um Kosten, von Offensive keine Spur. Warum das so ist? Der Nutzen wird in der gleichen Bilanzhülle gemessen wie der Aufwand.

Tatsächlich kann ein Unternehmen intern nur Kosten erzeugen. Nutzen stiften geht hingegen nur außerhalb der Unternehmensgrenzen. Im Markt, beim Kunden. Warum sind ABC-Analysen in Beratungsprojekten so ergiebig? Gerade weil eine bestimmte DM generierter Umsatz eben nicht die direkte Korrelation zur entsprechenden "Aufwands-DM" hat. Gerade weil damit eine Nutzen-/Aufwand-Relation über die Unternehmensgrenzen hinweg betrachtet wird.

Kundenperspektive ins Unternehmen projizieren
Und genau das ist der "Trigger" für jede Produktivitätsoffensive. "Wie wird die Kundensicht in das Unternehmen projiziert?" Wichtig ist zu beachten, daß Effektivität (das Richtige tun) vor Effizienz (die Dinge richtig tun) zu setzen ist. Das alte Dogma, „alles ist gut, wenn die Maschine läuft“, gilt nicht mehr, weil der Marktbezug (der im Verkäufermarkt noch galt) heute fehlt. Nur die verkauften Produkte zählen, nicht der Fertigwarenbestand. Eine weitere wesentliche Rolle dabei spielt das Zeitelement; aus Kundensicht ist das die Differenz von Wunschtermin zu Liefertermin und intern das Verhältnis von Bearbeitungszeit zur Durchlaufzeit. Dieses Zeitelement wird bei der Ablaufgestaltung sichtbar. Schließlich ist die Kostenseite zu betrachten, um den Aufwand an Personal und Material monetär zu bewerten.

Review der Fertigungsstrategie
Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um unter den genannten Prämissen produktiv fertigen zu können? Die Antwort fängt wieder im Markt an. Ob man sich in jungen oder reifen Märkten bewegt. Tendenziell wird die Entscheidung zugunsten einer eigenen Fertigung in jungen Märkten fallen. Gründe wie Reaktionsgeschwindigkeit, Kontrolle der Durchlaufzeit können auch in vermeintlich reifen Märkten eine Produktionsentscheidung herbeiführen.

Wie das Produktionssystem aussehen muß, entscheidet sich dann entsprechend der gewählten Strategie. So hat beispielsweise die Nr. 2 im europäischen Markt für Hydraulikkomponenten klar die Ziele Reaktionsgeschwindigkeit und kurze Durchlaufzeit vor die Kosten gesetzt. Und sich damit gegen einen Frontalangriff auf die Kostenführerschaft der Nr. 1 entschieden. Daß von föderaler Dezentralisierung der folgenden Produktionsgestaltung gesprochen wird, ist wichtig zu erkennen. Denn es darf in der weiteren Planung nicht darum gehen, die Strategie in Frage zu stellen, sondern darum, im vorgegebenen Rahmen die Kreativität zu entfalten.

Föderal dezentralisieren
Denn so modern wie Dezentralisierung ist, so oft werden Unternehmen dadurch in der Führung geschwächt. Weil das föderale Element, die gleichermaßen integrierende wie gesetzgebende Komponente, fehlt. Und die Lösung heißt nicht zentral oder dezentral. Die Lösung heißt Föderalismus. Die integrierenden Entscheidungsmechanismen sind deswegen notwendig, da in mittelständischen Strukturen immer das Problem der Unteilbarkeit auftritt.

Bei vielen Technologien stellt sich das Problem, mit einer Maschine Überkapazitäten aufzubauen, ohne die Maschine aber bestimmte Leistungen nicht anbieten zu können. Aber auch bei der Ablaufgestaltung im administrativen Bereich tritt dieses Problem auf. Demnach sind der für produktivitätssteigernde Wiederholeffekte wünschenswerten Segmentierung Grenzen gesetzt. Stets ist der Konflikt zwischen marktorientierter Produktorientierung (Ausschöpfen des Marktpotentials) und fertigungsbezogenen Mengeneffekten (Ausschöpfen des Kostenpotentials) zu lösen.

Fazit
Die Produktivitätsoffensive hat also vier Elemente:

  • Hinterfragen der Marktstrategie: Wer ist der Kunde bzw. wer soll es sein?
  • Abgrenzen der Wettbewerbsstrategie: Was sollen Wettbewerbsvorteile sein?
  • Dezentrale Suche nach Mengeneffekten
  • Aufbau föderaler Strukturen zur Gesamtoptimierung.

Das Ergebnis ist eine marktgetriebene Demokratie - eine Meritokratie, also die Herrschaft der Leistung im Unternehmen. Und die Leistung definiert der Markt.

erschienen in CIMAktuell, Mai 2000

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