Hersteller von Kolbenflugmotoren profitiert von systematischer Werkzeuglogistik
Toolmanagement einfach eingeführt
Dr. Götz Marczinski, CIM Aachen GmbH
Ein
Werkzeugverwaltungssystem, das eng
mit der
NC-Planung und Simulation verwoben ist,
führt zu einer spürbaren
Rationalisierung in der Fertigung von Motorkomponenten bei Thielert
Aircraft Engines in Lichtenstein.
"Dem Unternehmen Thielert Aircraft Engines ist es gelungen, mit dem Bau von Kerosin-Kolbenflugmotoren den Evolutionssprung, den die Dieseltechnologie bei Kraftfahrzeugen bewirkt hat, auf die allgemeine Luftfahrt zu übertragen (Bild 1). Das Erfolgsgeheimnis des 1999 gegründeten und zum Thielert-Konzern gehörenden Unternehmens ist die intelligente Verbindung von moderner Technik, qualifizierten Mitarbeitern und umfassender Prozesssicherheit. Vor dem Hintergrund des großen Erfolgs der 'Centurion'-Motorenfamilie wurde der Thielert-Konzern 2005 in die beiden Geschäftsbereiche Aircraft Engines und Technology & Prototyping untergliedert.
Flexibilität, Kostenoptimierung und vor allem Prozesssicherheit stehen auch bei der mechanischen Fertigung im Vordergrund, die Thielert Aircraft Engines am Standort Lichtenstein konzentriert hat. Hier werden mit circa 250 Mitarbeitern alle wesentlichen Motorkomponenten bearbeitet - sowohl für die Serienfertigung als auch für den Prototypenbau. Von der Bearbeitung des Rohlings bis hin zum Schleifen aufwendigster Konturen führt Thielert alle Prozessschritte im eigenen Haus durch.
In der Fertigung produziert man mit über 25 CNC-Maschinen zum Drehen, Fräsen, Tieflochbohren und Schleifen auf höchstem technischem Niveau. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die Produktionsplanung von der ersten Prozessauslegung über die NC-Programmierung und Werkzeugkonstruktion bis zum Einfahren der NC-Programme. Um eine effiziente Produktionsplanung und Fertigung mittels IT-Unterstützung zu erreichen, setzt Thielert für das Engineering seit jeher auf Pro/E beziehungsweise Pro/NC. Das Produktdatenmanagement erfolgt über PTC Windchill, als ERP-System kommt Navision zum Einsatz. Was bislang ergänzend fehlte, war ein effizientes Toolmanagement.
Toolmanagement
wird verzahnt mit
NC-Planung und Simulation
Betrachtet man exemplarisch die Auftragsabwicklung für ein
Neuteil, so wird deutlich, dass das Toolmanagement bei Thielert im
engen Zusammenhang mit der NC-Planung und Simulation steht. Auf der
Basis eines 3D-Modells von dem zu fertigenden Bauteil (Pro/E) legt die
Arbeitsvorbereitung in enger Abstimmung mit der NC-Planung die
Bearbeitungsstrategie fest. Die Vorrichtungskonstruktion erfolgt
ebenfalls in Pro/E. Daraufhin erstellt die NC-Planung die notwendigen
NC-Programme (Bild 2). Gleichzeitig findet die Werkzeugauswahl statt,
wobei in vielen Fällen Standardwerkzeuge auf die jeweiligen
Anforderungen zugeschnitten werden. Die Spezifikation und Beschaffung
entsprechender Sonderwerkzeuge sind aus Zeitgründen oftmals
nicht möglich.
Da der Beschaffungskreislauf bereits über das ERP-System abgebildet wurde, war die Problematik Werkzeugbestände und Werkzeugvielfalt kein zentraler Auslöser für die Einführung des Toolmanagementsystems. Allerdings sollte der Werkstattkreislauf, das heißt der Zyklus von der Montage und Voreinstellung über die Bereitstellung und Entsorgung der Maschinen, eng mit der NC-Programmverwaltung zusammenspielen. Die Anforderung bestand konkret darin, die im Toolmanagement verwalteten Werkzeuge mit 3D-Modellen zu verknüpfen. Die 3D-Modelle müssen in Pro/E zu bearbeiten sein, um entsprechende Anpassungen während der NC-Planung durchführen zu können. Zudem werden die 3D-Modelle für die NC-Simulation benötigt, um prozesssichere und kollisionsfreie NC-Programme in die Fertigung geben zu können. Eine zentrale Anforderung für ein Toolmanagementsystem ist somit das reibungslose Zusammenspiel mit Pro/E. Aufgrund dieser speziellen Auflagen wurde der Kreis potenzieller Anbieter schnell überschaubar. Letztlich überzeugte das Konzept von Fasys aus Köln.
Einführung
des Systems quasi
aus dem Stand heraus
Das System konnte schnell bei Thielert eingeführt werden, was
die Verantwortlichen in der Ansicht bestärkte, die richtige
Entscheidung getroffen zu haben. "Wir haben praktisch vom
Start weg mit Fasys gearbeitet", berichtet
Klaus-Peter Müller, NC-Planer und zuständig
für die Einführung und Administration des Systems bei
Thielert. "Bei der NC-Planung wurde sukzessive auf das System
umgestellt." Mittlerweile gibt es fast nur Fasys-Programme,
und circa 5000 Werkzeugkomponenten sowie 2000 Komplettwerkzeuge sind im
System abgelegt (Bild 3).
Mit Einführung von Fasys legte
man in Eigenregie Lagerorte und Meldelevel in den Voreinstellungen und
im Werkzeuglager an. Dabei waren die freien
Konfigurationsmöglichkeiten der Softwareoberfläche
eine große Hilfe. Der sonst notwendige Aufwand zum
Customizing entfiel. Auch die Schnittstelle zu Navision, das
für die Bestellabwicklung eingesetzt wird, stellt für
Fasys kein Problem dar. Buchen in Fasys, Bestellen über
Navision, so lautet die Aufgabenteilung.
Die benötigten 3D-Modelle haben Mitarbeiter von Thielert
Aircraft Engines mit Pro/E ebenfalls selbst erstellt. "Mit etwas
Routine schaffen wir bis zu zehn Modelle am Tag", erläutert
Müller. So wurden seit 2004 insgesamt 3500 Komplettwerkzeuge
generiert. Mittlerweile ist das System voll im Einsatz. Dazu sind zehn
Vollversionen und drei Viewer lizenziert. Ein weiteres Merkmal seiner
Anwenderfreundlichkeit: Das System kann von einem Anwender unmittelbar
betreut werden.
Fasys und Pro/E sind in ihrer
Kommunikation eng verknüpft
Fasys ist in der Lage, die 3D-Werkzeugmodelle direkt in Pro/E zu
spielen, sodass sie dort manipuliert werden können. Im
konkreten Fall wählt der NC-Planer in Fasys ein Werkzeug aus
und exportiert es per Knopfdruck in den Werkzeugmanager von Pro/E. Dort
erfolgen weitergehende Anpassungen. Die
SD-Werkzeugverwaltung FATool holt sich über eine
API-Schnittstelle die Modelle, wobei in Fasys automatisch ein STL und
ein 2D-Modell zur Anzeige und Weiterverarbeitung erzeugt wird. Durch
die SD-Werkzeugverwaltung mit FATool ergibt sich noch ein weiterer
Vorteil: Die Werkzeuge müssen nicht mit der gleichen
Systematik wie die Produktdaten archiviert werden (Bild 4).
Systemnutzen beginnt mit der
Werkzeuglogistik
Obwohl bei der Einführung von Fasys der Fokus nicht auf der
Werkzeuglogistik lag, beginnt genau hier der Systemnutzen. Die
Standardisierung wird vorangetrieben. Während den einzelnen
Werkzeugen im ERP-System Navision bisher nur eine Nummer zugeordnet
war, können sie nun über Sachmerkmale identifiziert
werden. Damit lassen sich funktionsgleiche Werkzeuge unterschiedlicher
Hersteller identifizieren. Zudem verhindert der Überblick auf
der Werkstattebene, dass Werkzeuge doppelt montiert werden. Solange nur
der Werkzeugmanager in Pro/E zur Verfügung stand, fehlte die
Information, ob ein entsprechendes Komplettwerkzeug bereits vorhanden
ist. Mit der heutigen Lösung ist die Anzahl der in
Komplettsystemen gebundenen Werkzeuge zurückgegangen, und der
Verbrauch an Werkzeugkomponenten reduzierte sich deutlich.
Mit Einführung von Fasys wurde auch das Einfahren der NC-Programme wesentlich verbessert, viele Fehler werden bereits bei der NC-Planung erkannt. Während die Werkzeuge noch vor Kurzem mundgerecht ohne direkten Realitätsbezug konfiguriert wurden, lassen sich heute vorhandene Lösungen nutzen. Dank der guten Kommunikation zwischen Pro/E und Fasys kann auf die Parametrik von Pro/E in vollem Umfang zurückgegriffen werden.
Die NC-Programmierung bei Thielert ist heute allerdings anspruchsvoller. Bisher konnten die Werkzeuge ganz pragmatisch im Werkzeugmanager von Pro/E angelegt werden. Nun kann (und muss) der NC-Planer auf vorhandene Lösungen und den realen Werkzeugbestand in Fasys zugreifen. Damit wird die Kreativität vordergründig eingeschränkt, in der Werkstatt aber führt diese Rationalisierung zu einem deutlich spürbaren Nutzen. Denn Maschinenstillstände und lange Einfahrzeiten kann sich Thielert bei dem bisherigen und geplanten Wachstumstempo nicht leisten.
Die hier beschriebene pragmatische
3D-Lösung wird auf dem Seminar Toolmanagement in der
Praxis vorgestellt, das CIM Aachen am 22. Januar 2008 in Ulm
veranstaltet.
erschienen in Werkstatt + Betrieb, Dezember 2007