Vom Kunden lernen - Die Kundenzufriedenheitsanalyse
Thomas Pehl
Zielgerichtete Maßnahmen zur Steigerung der Kundenbindung und Impulse für zusätzliche Geschäfte können mittels einer systematischen Kundenzufriedenheitsanalyse hergeleitet und priorisiert werden. Kernpunkt ist die Abkehr vom eigenen Produktfokus hin zu einer anwenderorientierten Sichtweise aus der Kundenperspektive.
Der Aufwand zum Halten eines Kunden ist 5-7 mal geringer als für die Gewinnung eines Neukunden. Unzufriedene Kunden erzählen bis zu 10 Kontaktpersonen über negative Erfahrungen, beschweren sich allerdings nur selten bei ihrem Lieferanten, so zeigen unterschiedliche Untersuchungen. Nach den Erfahrungen der CIM GmbH besteht der Kundenstamm jedes Unternehmens mindestens zu 10% bis 15% aus abtrünnigen Kunden. Das sind Kunden, die bei nächster Gelegenheit zur Konkurrenz wechseln. Hier setzt eine systematische Kundenzufriedenheitsanalyse an:
- Wie hoch ist der Prozentsatz tatsächlich?
- Was ist zu tun, um diese Kunden zu halten?
Dabei geht es nicht um nicht mehr existente oder illiquide Kunden und Kunden ohne Bedarf. Sondern um Kunden, die trotz Bedarf abwandern. Weil sie unzufrieden sind oder negative Erfahrungen gemacht haben. Oder weil der Wettbewerb positive Erlebnisse vermittelt hat, an die man selbst nicht gedacht hat.
Anwendungssicht - der Blick von Außen
Was heißt denn „positives Erlebnis“ bei unscheinbaren technischen Produkten, Zulieferteilen oder gar Halbzeugen? Soll der Kunde etwa eine emotionale Bindung zu einem Stück Grauguß entwickeln? Sicherlich nicht. Aber der Kunde kann sich verstanden fühlen, er kann erwarten, daß sich der Lieferant in seine Position versetzt, daß er versteht, was sein Problem ist. Kurz: Statt einer introvertierten Produktorientierung kann der Kunde die Anwendersicht bei seinem Lieferanten erwarten.
Die Pflege der Kundenbeziehung darf nicht zu einem „Blindflug“ durch unzureichende direkte Informationen über die Kunden und deren Motivation werden. Eigene Einschätzungen entbehren oft des objektiven Blicks von außen, Fremd- und Eigenwahrnehmung weichen voneinander ab. Der einzige, von dem man die Frage über Erwartungsprofil und Erfüllung sicher beantwortet bekommen kann, ist der Kunde.
Externe Dienstleistung
Für die Durchführung eigener Kundenzufriedenheitsanalysen fehlen vielen Unternehmen Know-how und Kapazität. Zudem können Mitarbeiter gegenüber dem eigenen Unternehmen nicht die notwendige Neutralität entwickeln. Auch fällt dem Kunden eine direkte, offene Kritik am Lieferanten schwer. Kunden mit kleinem Abnahmevolumen befürchten Nachteile. Deswegen ist die Zuhilfenahme geeigneter Dienstleister sinnvoll. Da neben der Ermittlung der Zufriedenheit auch Erkenntnisse über bislang unbekannte Bedürfnisse zu gewinnen sind, empfiehlt insbesondere bei Zulieferprodukten und Halbzeugen jemand, der die Produkte versteht und somit die Anwendungssicht glaubhaft verkörpert. Die klassischen Marketingagenturen sind deswegen nur bedingt geeignet.
Pragmatische Vorgehensweise
Der erste Schritt, die Anwendersicht ins Spiel zu bringen ist die Erkenntnis, daß mittlerweile eine Inflation an Kundenzu-friedenheitsanalysen eingesetzt hat. Einschätzungen der Kunden werden zum knappen Gut, jeder Lieferant kann davon ausgehen, daß er mit mindestens zwei Unternehmen um die Beantwortung entsprechender Befragungen konkurriert. Die Vorgehensweise der CIM GmbH zur zielgerichteten Ermittlung der Kundenzufriedenheit berücksichtigt diesen Tatbestand. Die Länge des Bogens (3-4 Seiten) steht im direkten Verhältnis zur Rücklaufquote. Das gleiche gilt für die Muttersprache bei europäischen Befragungen.
Auf Grundlage der mit dem Projektpartner erarbeiteten Ziele werden der Kundenstamm segmentiert und repräsentative Kunden per „Ankreuz“- Fragebogen befragt. Fragengruppen umfassen die vom Kunden wahrgenommenen Serviceelemente (Anfrage bis zur Betreuung im After-Sales) sowie das Produkt. Es wird jeweils die Bedeutung einer Eigenschaft (wie wichtig ist sie dem Kun-den) und deren Erfüllung (wie gut wird sie erfüllt) ermittelt. Damit läßt sich dann ein Kundenbindungsindex berechnen, der das zentrale Element der folgenden Auswertung ist.
In der zweiten Phase werden repräsentative Kunden durch Mitarbeiter der CIM GmbH im direkten Interview befragt, um die ermittelten Handlungsfelder zu verifizieren und zu ergänzen. Zudem werden gemeinsam mit dem Kunden neue Tätigkeitsfelder identifiziert.
In der dritten Phase erfolgt die Umsetzung der Maßnahmen und die Kontrolle der Ergebnisse. Es wird ermittelt, ob die Umsetzung beim Kunden als positive Effekte bemerkt wurden. Diese Rückkopplung ist ein Markenzeichen für das fragende Unternehmen, aber auch für die CIM GmbH als Dienstleister. Der befragte Kunde sieht, daß seine Meinung zu Aktionen geführt hat. Anderenfalls entsteht der Eindruck, daß die Kundenmeinung nicht interessiert.
erschienen in CIMAktuell, Mai 1998